Mit Beschwerden wie Harnwegsinfektionen, Prostataerkrankungen, Harninkontinenz, gynäkologischen Infektionen und Co. haben die meisten von uns schon einmal Bekanntschaft gemacht. Glücklicherweise gibt es zahlreiche Möglichkeiten, diesen Problemen vorzubeugen und sie wirksam zu behandeln. Mit dem richtigen Wissen und einigen praktischen Tipps können Sie viel zur Gesundheit Ihres Urogenitaltrakts beitragen.

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Die Niere ist das wichtigste Organ im Harntrakt und erfüllt zahlreiche Funktionen, die für die Gesundheit und das Gleichgewicht im Körper entscheidend sind. Zu ihren Hauptaufgaben gehören die Reinigung und die Filterung des Blutes. Pro Tag werden etwa 180 Liter Blut gefiltert, wobei unerwünschte Sub­stanzen entfernt und wichtige Nährstoffe rückresorbiert werden. Die Niere ist auch entscheidend für die Ausscheidung von Arzneimitteln.

Darüber hinaus hilft die Niere, den Blut-pH-Wert zu regulieren und den Wasserhaushalt zu steuern. Bei Flüssigkeitsmangel beispielsweise wird weniger Urin ausgeschieden. Sie produziert auch wichtige Hormone wie Renin, welches in die Blutdruckregulation eingreift, und Erythropoetin, das die Produktion der ­Erythrozyten, der roten Blutkörperchen, anregt.

Aufgrund der umfassenden Aufgaben der Niere ist es natürlich von Interesse, über ihre Filtrationsleistung Bescheid zu wissen, um im Bedarfsfall die Dosis von Medikamenten anzupassen und das Stadium einer Nierenerkrankung zu ermitteln. Häufig wird die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) verwendet. Sie gibt die Menge an Primärharn an, die pro Minute in den Nierenkörperchen gebildet wird. Diese kann jedoch nicht direkt gemessen werden, sondern wird näherungsweise mit verschiedenen mathematischen Formeln berechnet. In bestimmten Fällen, z. B. bei über-/unterdurchschnittlicher Muskelmasse, bei ­älteren Patient:innen sowie bei Unter- oder Übergewichtigen ist die GFR jedoch leider nicht immer zu 100 % aussagekräftig und sollte deshalb nur als Schätzung betrachtet werden.

APO-Tipp

Keine Chance für Harnwegsinfekte

Verstärkter Harndrang sowie Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen – Harnwegs­infekte sind sehr unangenehm. Um ihrem Auftreten vorzubeugen, sollten Sie einige Maßnahmen beherzigen:

  • Vermeidung von Spermiziden, Diaphragma oder übermäßiger Intimhygiene
  • Abwischen von vorne nach hinten nach dem Stuhlgang
  • sofort Wasserlassen nach dem Geschlechtsverkehr
  • Unterleib warm halten, um Unterkühlung zu vermeiden – nasse Badehose wechseln
  • Konsum von Alkohol und Kaffee minimieren
  • Immunsystem stärken mit z. B. Vitamin C und Vitamin D

Harnwegsinfekte

Erkennen, Behandeln, Vorbeugen

Frauen sind häufiger von Harnwegsinfektionen betroffen als Männer, insbesondere zwischen 20 und 50 Jahren. Ursächlich ist die unterschiedliche Anatomie: Eine kürzere Harnröhre bei Frauen und die Nähe zum After ermöglicht es Bakterien, leichter in die Harnblase zu gelangen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Harnwegsinfektionen (HWIs) bei beiden Geschlechtern. Durch Prostatavergrößerungen bei Männern und somit höherer Gefahr eines HWIs gleicht sich auch das Verhältnis zwischen Männern und Frauen an.

Grundsätzlich sind das Immunsystem, der saure pH-Wert des Urins und eine regelmäßige vollständige Entleerung der Blase ein ausreichender Schutz vor Harnwegsinfektionen. Durch ein schwaches Immunsystem, Schleimhautreizungen beim Geschlechtsverkehr oder neue Sexualpartner (Honeymoon-Zystitis) können HWIs auftreten. Bei älteren Patientinnen mit Stuhlinkontinenz können Keime in den Vaginalbereich gelangen. Auch bei einer Antibiotika-Therapie kommt es durch die Änderung der Vaginalflora häufig zu einer Überwucherung von E.coli-Bakterien und somit zu HWIs.

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Bakterielle Harnwegsinfektionen können symptom­los verlaufen oder von häufigem Wasserlassen von kleinen Urinmengen mit Brennen, Harndrang und Schmerzen begleitet sein. Bleibt ein HWI unbehandelt, können Bakterien in die Niere wandern und eine Nierenbeckenentzündung verursachen, die sogar zu einer Sepsis führen kann. Tritt Fieber und/oder Erbrechen auf, sollte schnellstmöglich ein Arzt/eine Ärztin aufgesucht werden!

Behandlung von HWIs

Als unkompliziert gilt ein HWI bei jungen Frauen mit leichten Symptomen, die nicht schwanger sind und keine nennenswerten Begleiterkrankungen wie beispielsweise Diabetes aufweisen. Dann findet man in der Apotheke rezeptfreie Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel, die Abhilfe schaffen können. Einige Maßnahmen der Selbsttherapie können bei einem unkomplizierten HWI angewendet werden:

  • Viel trinken: Blase und Harnröhre werden durchgespült und Bakterien ausgeschwemmt.
  • Wärmeanwendung gegen Schmerzen und Krämpfe
  • harntreibende oder entzündungshemmende Pflanzen wie Brennnessel, Birke, Goldrutenkraut, Rosmarin, Tausendguldenkraut, Liebstöckel, Kapuzinerkresse und Meerrettich als Tee oder in Tablettenform
  • Cranberry und D-Mannose: Verhindern das Anhaften von Bakterien an der Blasenschleimhaut → Bakterien werden ausgeschwemmt
  • Methionin: Säuert den Harn an und hemmt so Bakterienwachstum
  • schmerzlindernde und krampflösende Medikamente aus der Apotheke
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Wenn Männer, Kinder oder postmenopausale Frauen betroffen sind oder Blut im Urin ist, ist ein HWI als kompliziert anzusehen. Dann und auch wenn Beschwerden länger als drei Tage anhalten, sollte man ärztlichen Rat einholen. Teststreifen zur groben Einschätzung eines HWI können auch in der Apotheke erworben werden. Meistens wird mit Antibiotika medikamentös behandelt. Für die Wahl des Antibiotikums sollte eine Urinkultur durchgeführt werden.

Scheidenflora im Gleichgewicht

Zum Urogenitalsystem gehört neben der Niere und dem Harntrakt auch die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane. Ein gesundes Gleichgewicht der Scheidenflora ist entscheidend für den Schutz vor Infektionen. Milchsäurebakterien, insbesondere Laktobazillen, schaffen ein saures Milieu, das das Wachstum schädlicher Mikroorganismen hemmt. Eine gestörte Scheidenflora erleichtert es krankmachenden Keimen, Infektionen zu verursachen und zeigt sich durch Symptome wie Brennen, Jucken, Ausfluss oder Schmerzen. Häufige vaginale Infektionen werden durch Pilze wie Candida Albicans, Viren wie das Herpes-simplex-Virus oder pathogene Bakterien verursacht.

Tipps für eine gesunde Vaginalflora

  • Probiotika: fermentiertes Gemüse z. B. Sauerkraut, Kimchi über Joghurt bis zu Kombucha essen oder Milch­säurebakterien aus der Apotheke
  • Waschlotionen mit leicht saurem pH-Wert, keine Seifen oder Intimsprays verwenden
  • Nach Stuhlgang von vorne nach hinten wischen, um die Übertragung von Darmbakterien in die Vagina zu vermeiden
  • Synthetische Unterwäsche vermeiden, besser Baumwolle
  • Tampons und Binden während Periode regelmäßig wechseln
  • Immunsystem stärken und Stress reduzieren
  • Regelmäßige gynäkologische Vorsorgeuntersuchung
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Keine Scham bei Harninkontinenz

Vielfältige Behandlungsmöglichkeiten

Harninkontinenz ist ein häufiges Problem, das vor allem Frauen betrifft. Leider suchen weniger als die Hälfte der Betroffenen ärztliche Hilfe. Doch die Angst oder Scham ist unbegründet, da es viele effektive Therapien und Hilfen gibt, die die Symptome mildern und die Lebensqualität verbessern können. Pflanzliche Präparate wie Kürbiskernextrakte, Sägepalme, Brennnessel oder Schachtelhalm können die Beschwerden ebenso bessern wie regelmäßiges Beckenboden- und Blasentraining. Beim Blasentraining wird der erste Harndrang bewusst ignoriert, um die Zeit bis zum nächsten Toilettengang schrittweise zu verlängern.

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Die verordneten Arzneimittel entspannen die Blasenmuskulatur und reduzieren Dranginkontinenz. Bei Frauen nach der Menopause können lokal wirksame Östrogenpräparate wie Vaginaltabletten oder Salben hilfreich sein.

Wenn Sie betroffen sind, sollten Sie Kohlensäure, Alkohol, Kaffee, scharfe Gewürze und Zitrusfrüchte meiden, da diese die Blase reizen können. Achten Sie auf eine gute Hautpflege im Intimbereich, um Irritationen und Infektionen zu vermeiden.

Moderne Inkontinenzprodukte, sprich Einlagen und saugfähige Unterwäsche in verschiedenen Größen und Saugstärken, ermöglichen eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ohne Scham oder Angst.

Gesunde Prostata

Das Urogenitalsystem des Mannes umfasst neben den Harnorganen auch die Hoden, den Penis, die Samenblase, die Samenwege und die Prostata. Eine häufige Erkrankung bei älteren Männern ist die gutartige Ver­größerung der Prostata, die benigne Prostatahyper­plasie (BPH). Diese betrifft etwa 25 % der Männer über 50 Jahren und kann die Blasenentleerung behindern. Symptome einer vergrößerten Prostata sind Schwierig­keiten beim Wasserlassen, Nachträufeln und häufiger Harndrang. Pflanzliche Präparate mit Sägepalme, Brennnesselwurzel oder Kürbiskernen bessern die Beschwerden. Auch eine gesunde Ernährung mit Omega-3-Fettsäuren sowie Lycopin aus Tomaten, Wassermelonen und rosa Grapefruit tut der Prostata gut. Regelmäßige körperliche Aktivität und Vorsorgeuntersuchungen sind wichtig, um späteren Problemen vorzubeugen. Haben Lebensstilmaßnahmen und medikamentöse Behandlung nicht ausreichende Erfolge erzielt, kann eine operative Verkleinerung der Prostata notwendig sein.

Das Urogenitalsystem spielt also eine zentrale Rolle für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, eine gesunde Lebensweise und die Beachtung der genannten Tipps können viele Beschwerden vermieden oder frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Buchtipp: Unter der Gürtellinie

Infektionen in der Intimzone treffen fast jede Frau, trotzdem werden sie stark tabuisiert. In ihrer Praxis erlebt Dr. med. Susan Zeun täglich, womit sich ihre Patientinnen herumschlagen. Locker und anschaulich vermittelt die Fachärztin wertvolles Wissen rund um Harnwegs-, Vulva- und Vaginalinfekte, schaut Mutter Natur in die Karten und unseren Vorfahrinnen unter den Rock. Dabei hinterfragt sie, inwieweit auch unsere Lebensweise frauenspezifische Beschwerden begünstigt, und liefert zahlreiche Tipps, mit ­welchen einfachen Mitteln diese effektiv und nachhaltig gelindert oder bestenfalls ganz verhindert werden können.

Die Schlüpferakademie

von Dr. Susan Zeun
2024, Dumont, € 19,–
ISBN: 978-3-8321-6939-8
Erhältlich bei Buchaktuell in 1090 Wien oder unter www.buchaktuell.at

Text von

Mag. pharm. Tina Graßer
Apothekerin in Linz