Das Adrenogenitale Syndrom ist eine Hormonbildungsstörung in der Nebennierenrinde. Der Leidensdruck kann groß sein – eine frühzeitige Diagnose ist nicht immer gegeben, wäre aber äußerst wichtig.
Das Adrenogenitale Syndrom (AGS) ist eine Erkrankung, in der es durch genetische Defekte in der Hormonproduktion der Nebenniere zu einem Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen (Androgenen) kommt; gleichzeitig kann ein Mangel an Cortisol und auch Aldosteron vorliegen. An AGS können sowohl Buben als auch Mädchen leiden, wobei sich die Symptomatik unterscheidet.
Verschiedene Formen
Die „klassische“ AGS äußert sich durch eine Vermännlichung der äußeren Geschlechtsmerkmale – Vergrößerung der Klitoris, eventuell sogar Bildung eines Pseudopenis – bei Mädchen (trotz innerer weiblicher Genitalien).
Bei Jungen sind die äußerlichen Symptome häufig weniger dominant; es kann aber zu vermehrtem Peniswachstum bei klein bleibenden Hoden kommen.
Auch lebensbedrohliche „Salzverlustkrisen“ (Schwäche, Erbrechen, Gedeihstörung) können bei beiden Geschlechtern kurz nach der Geburt auftreten. Dabei verliert das Kind Salz und Wasser, der Blutdruck fällt stark.
Das nicht-klassische AGS ist von der Symptomatik her wesentlich milder ausgeprägt und kann sogar komplett asymptomatisch verlaufen.
Gut zu wissen:
„Im Kindesalter kommt es zu einem gesteigerten Größenwachstum, bei schlussendlich aber geringerer Erwachsenengröße zu einer Scheinpubertät mit vorzeitiger Schambehaarung, verstärkter Körperbehaarung und Akne, schnell wachsendem Penis bei Buben bzw. einem Ausbleiben der Regelblutung bei Mädchen“, so Dr. Sabina Baumgartner-Parzer, Medizinische Universität Wien.
Welche Therapieoptionen gibt es bei AGS?
In Österreich existiert ein Neugeborenen-Screening, das darauf ausgelegt ist, schwere AGS-Formen zu erkennen. Das ermöglicht eine frühzeitige Therapie, kann eine Salzverlustkrise verhindern und ein normales Längenwachstum der Knochen ermöglichen.
Die mildere Form („nicht-klassische AGS“) wird meist nicht erfasst und oft erst spät diagnostiziert. Typische Symptome sind unerfüllter Kinderwunsch, Akne oder Haarausfall bei beiden Geschlechtern sowie Zyklusstörungen (unregelmäßige oder ausbleibende Regelblutung) und vermehrte Körperbehaarung bei Mädchen und Frauen.
AGS-Patientinnen leiden mehr an sexueller Dysfunktion als Frauen in der Allgemeinbevölkerung. In Studien zeigte sich unerwartet eine stärkere Einschränkung der Sexualfunktion sowie ein größerer Leidensdruck bei Patientinnen mit nicht-klassischem AGS. Sie leiden aufgrund der späten Diagnose mehr, da sie über lange Zeit keine Erklärung für ihr „Anderssein“ haben und auch keine Therapie erhalten. Daher ist es wichtig, bei Frauen mit Zeichen der Vermännlichung, Zyklusstörungen, unerfülltem Kinderwunsch etc. auch an das nicht-klassische AGS zu denken.