Personalisierte Therapie: Die Pharmakogenetik könnte die Art der Medikation revolutionieren – und Apotheker könnten in diesem Prozess eine ganz zentrale Rolle einnehmen.

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Die Pharmakogenetik untersucht die Verstoffwechslung eines Medikaments im Körper. Sie zeigt auf, welche Interaktion zwischen Arzneimittel und dem menschlichen Körper stattfindet. „Neben dem entsprechenden Wirkungsmechanismus sowie der verabreichten Dosis ist das ein ganz entscheidender Faktor“, weiß Mag. pharm. Susanne Ergott-Badawi von der Österreichischen Apothekerkammer.

„Wir alle sind unterschiedlich in der Verstoffwechslung bestimmter Inhaltsstoffe. Manche Menschen bauen sie langsamer ab, andere schneller. Wieder bei anderen wirkt ein Medikament unter Umständen gar nicht. Mit der Pharmakogenetik kommt man diesem Phänomen auf die Spur und hilft Patienten, nachhaltig die richtige Medikation zu finden.“

Ergott-Badawi erklärt: „Bei einem Schmerzmittel bemerken Menschen wahrscheinlich relativ schnell, ob es ihnen hilft oder nicht. Bei einem Blutverdünner, der das Schlaganfallrisiko senken soll, ist das unter Umständen nicht so leicht. Das Medikament aber ist für die betroffene Person lebenswichtig.“

Nun gibt es in Österreich ein pharmakogenetisches Testsystem, das in der Apotheke eingesetzt wird. Die Probenentnahme erfolgt über einen Wangenabstrich und kann durch den Patienten selbst in der Apotheke durchgeführt werden. Danach wird das Probenröhrchen in einer Box nach Deutschland ins Labor zur Auswertung geschickt. Das Ergebnis wird nach rund zehn Tagen an die Wunschapotheke geschickt, die die Befundbesprechung mit dem Patienten durchführt. Die Kosten für den Test belaufen sich auf 500 Euro. Weitere Informationen gibt es unter www.apothekerkammer.at und www.stratipharm.at.

Mag. pharm. Dr. Andrea Exner-Rabensteiner im Interview:

Andrea Exner-Rabensteiner_c_Sissi Furgler Fotografie - Mag. pharm. Dr. Andrea Exner-Rabensteiner: „Angeborene Besonderheiten sind nicht selten.“ - © Sissi Furgler Fotografie
Mag. pharm. Dr. Andrea Exner-Rabensteiner: „Angeborene Besonderheiten sind nicht selten.“ © Sissi Furgler Fotografie

Wie sich pharmakogenetische Charakteristika auswirken und welche Rolle der Apotheker bei der Analyse der Testergebnisse spielt, erklärte uns die Geschäftsführerin von Axeleris Pharma, Mag. pharm. Dr. Andrea Exner-Rabensteiner, im Interview.

Deine Apotheke: Seit einiger Zeit bieten Sie in Österreich ein pharmakogenetisches Testsystem an, das über die Apotheken eingesetzt wird. Eine solche Testung gerade in der Apotheke ist recht neu. Wie ist hier denn die Rolle der Apotheken zu verstehen?

Mag. pharm. Dr. Andrea Exner-Rabensteiner: Angeborene Unterschiede im Medikamentenstoffwechsel der Menschen bestimmen oftmals sehr stark mit, wie gut ein Arzneistoff wirkt und wie stark Nebenwirkungen verursacht werden können. Das Wissen um diese pharmakogenetischen Eigenschaften ist genauso relevant wie das Know-how über Medikamenten-Interaktionen, da beide sehr ähnliche Effekte auslösen. Grundlage einer Wechselwirkungsbetrachtung ist ein gut geführter Medikationsplan, aber angeborene Varianten im Stoffwechsel sind nur durch pharmakogenetische Tests zu erkennen.

Dazu wurde STRATIPHARM entwickelt. Dieses Testsystem ist sehr bewusst auf die Anwendung in der Apotheke abgestimmt. Das erkennt man nicht nur an der Art und Weise, wie die Ergebnisse einer STRATIPHARM-Analyse als Grundlage einer pharmazeutischen Beratung durch Apothekerinnen und Apotheker aufbereitet sind, sondern auch an der bewussten Wahl, die Probenentnahme mithilfe eines Mundschleimhautabstrichs zu ermöglichen, der in jeder Apotheke ohne großen Aufwand durchgeführt werden kann.

Warum sollten die Ergebnisse in Apotheken besprochen und analysiert werden?

Exner-Rabensteiner: Das grundlegende Wissen über den Arzneimittelmetabolismus sowie über die biochemischen Eigenschaften der Wirkstoffe ist elementarer Bestandteil der pharmazeutischen Ausbildung. Daher ist es klar, dass ebenso wie Interaktionen auch angeborene individuelle Besonderheiten der Patienten, die sich auf die Pharmakodynamik und -kinetik der Arzneistoffe auswirken, kompetent in der Apotheke beraten werden. Pharmakogenetische Besonderheiten können ein elementarer Bestandteil der Apothekenberatung sein und die Interaktionsprüfung um diese wichtigen „angeborenen Wechselwirkungen eines Menschen mit sich selbst“ ergänzen. Damit wird ein wesentlicher und zusätzlicher Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit geleistet.

Die Ergebnisse geben ausschließlich Antworten darauf, welche Auswirkungen die gefundenen angeborenen Eigenschaften auf Wirkstoffe haben und wie man durch Dosisanpassungen oder gezielte Wirkstoffauswahl am besten reagieren könnte. Damit kann man den Behandlern gezielt Vorschläge für Optimierungsmöglichkeiten der medikamentösen Therapie bei genau diesem individuellen Patienten machen. Neben dem Nutzen einer erweiterten Beratung in der Apotheke kann auch jeder Arzt selbst diese Analyseergebnisse einsehen.

Sind pharmakogenetische Auffälligkeiten eine Randerscheinung?

Exner-Rabensteiner: Angeborene Besonderheiten im Medikamentenstoffwechsel sind keine Seltenheit. In einem Projekt mit der Österreichischen Apothekerkammer haben sich mehr als 500 Apothekerinnen und Apotheker selbst getestet. Die gefundene Verteilung von Varianten korreliert sehr gut mit den bekannten, in der Literatur beschriebenen Werten.

Das Abbauenzym CYP2C19 zeigte bei mehr als 31 % der Teilnehmer eine deutlich erhöhte Abbaurate. Das würde dazu führen, dass für dieses Drittel eine Therapie z. B. mit Citalopram (ein Antidepressivum) schlechtere Wirksamkeit zeigen würde.

Ein anderes Beispiel ist DPYD – ein Enzym, das den Abbau einiger Chemotherapeutika verantwortet: Müssten alle Teilnehmer dieses Projekts eine solche Krebstherapie erhalten, würden sicher dreizehn von ihnen schwerste Vergiftungen erleiden müssen, die alleine nur durch die Therapie selbst verursacht wurden! Solche Risiken für sich zu kennen und durch eine Therapieanpassung gezielt zu verhindern, ist mit STRATIPHARM möglich.

Danke für das Gespräch.