Endlich Frühling! Oder doch nicht? Für Allergiker ist die Freude über die wärmere Jahreszeit oft leider schnell vorbei. Aber nicht nur der sogenannte „Heuschnupfen“ ist weit verbreitet – auch Hausstaubmilben- und Nahrungsmittelallergien machen vielen Österreicher:innen zu schaffen – und das rund ums Jahr.

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Die Weltallergieorganisation schätzt, dass die Verbreitung von Allergien in der Gesamtbevölkerung je nach Land zwischen 10 und 40 Prozent beträgt. In Österreich sind rund ein Drittel der Bevölkerung Allergiker:innen. Laut der Interessengemeinschaft Allergenvermeidung verdoppelt sich die Anzahl seit den 60er-Jahren alle zehn Jahre.

Für Pollenallergiker:innen bedeutet das etwa: Niesanfälle, rinnende Nasen, tränende Augen. Der zunehmende Klimawandel macht die Sache nicht leichter: Fast ein Monat früher als sonst waren Anfang Jänner schon die ersten Haselpollen im Anflug. Die Blühzeiten verschieben sich nicht nur nach vorne, die Pollensaison dauert zunehmend länger – und damit die Leidenszeit für Allergiker:innen.

Symptome schränken ein

Die Symptome der allergischen Rhinitis, wie die Pollenallergie auch genannt wird, sind dabei individuell unterschiedlich: Niesanfälle sowie eine juckende, laufende oder verstopfte Nase sind sehr verbreitet. Typisch sind aber auch gerötete, tränende, juckende Augen sowie Husten oder eine pfeifende Atmung. In manchen Fällen kann sich auch ein allergisches Asthma ent­wickeln. Es können auch Hautreaktionen wie Juckreiz auftreten. Manche juckt es sogar in den Ohren oder am Gaumen, andere leiden unter Magen-Darm-Beschwerden. Die Betroffenen sind oft in ihrem Alltag eingeschränkt. Aufgrund erschwerter Atmung oder Juckreiz sind Schlafstörungen und Leistungseinschränkungen am Tag keine Seltenheit. Bei einer Allergie verkennt das Immunsystem die eingeatmeten Pollen als Bedrohung und wehrt sie ab. Werden die daraus resultierenden Beschwerden nicht rasch behandelt, kann sich die allergische Entzündung von den oberen in die unteren Atemwege ausbreiten und eine chronische Asthma-Erkrankung verursachen.

Wissenswertes: Tipps für Allergiker

Wichtigste Maßnahme ist, sofern möglich, den Kontakt mit den Allergie-Auslösern zu reduzieren, das kann gelingen durch:

  • Luftreiniger in Kombination mit Pollenschutzgittern
  • Gesichtsmasken sind auch eine wirksame nicht-medikamentöse Option für Pollenallergiker – insbesondere an Tagen, an denen eine hohe Pollenbelastung vorausgesagt wird.
  • Nasenduschen, lokale Anwendung von Salben, Pulvern oder Ölen – so wird das Eindringen der Pollenallergene in die Nasenschleimhaut verhindert.
  • „Künstliche Tränen“ (Augentropfen ohne Wirkstoffe, die das Auge befeuchten) und kühlende Augenkompressen könnten akute Beschwerden deutlich reduzieren.
  • Akupunktur: Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 ergab, dass Akupunktur-Methoden sowohl Symptome an der Nase als auch die Lebensqualität im Allgemeinen verbessern.
  • Nach dem Aufenthalt im Freien Haare und Gesicht waschen, Kleidung wechseln.
  • Pollenflugvorhersagen: In Zeiten hoher Pollenbelastung können Betroffene so ihren Aufenthalt im Freien, die Einnahme von Medikamenten etc. besser managen. Infos unter www.pollenwarndienst.at oder in der Pollen-App.

Kurz- und langfristige Therapie

Mit teilweise rezeptfreien Arzneimitteln aus der Apotheke bekommen Sie die allergischen Symptome gut in den Griff. Antiallergische Medikamente wie Antihistaminika und Kortison-Sprays lindern die Symptome rasch, haben aber leider keinen dauerhaften Effekt. Langfristige Erleichterung bietet nur die Allergen-Immuntherapie (AIT), die auch unter den Begriffen Allergie-Impfung oder Hyposensibilisierung bekannt ist. Mittlerweile gibt es die Immuntherapie auch als Tablette (mehr dazu im Interview unten). Bei rechtzeitigem Therapiebeginn spüren betroffene Allergiker:innen meist bereits in der bevorstehenden Pollensaison eine deutliche Besserung ihrer Beschwerden.

Studie: Allergie & Mikronährstoffe 

Ein Mikronährstoffmangel kann das Immunsystem besonders empfindlich gegenüber allergenen Stoffen machen. Ein hyperaktives Immunsystem versetzt den Körper in Alarmbereitschaft und hemmt die Aufnahme von Eisen – obwohl genau dieser Mikronährstoff zur Beruhigung der Überreaktion vermehrt gebraucht würde. Die Studie der Wissenschafter:innen des Messerli Forschungsinstituts der MedUni Wien, Vetmeduni Wien und Uni Wien zeigt daher einen neuen Ansatz in der Betreuung von Allergiker:innen auf.

Bisse mit Folgen

allergie_iStock-1407326504 - Bei allergischen Reaktionen durch Lebensmittel können die Augen tränen, die Nase laufen und vielleicht beginnt die Haut zu jucken und es bilden sich Ausschläge. - © iStock
Bei allergischen Reaktionen durch Lebensmittel können die Augen tränen, die Nase laufen und vielleicht beginnt die Haut zu jucken und es bilden sich Ausschläge. © iStock

Bei manchen Menschen führen Nüsse, Schalentiere & Co. zu gesundheitlichen Beschwerden. Die genauen Ursachen dieser Allergien sind nicht restlos geklärt, Experten gehen aber davon aus, dass es sich um eine Kombination von Umweltfaktoren mit genetischen Risiken handelt. Leiden bereits die Eltern an Allergien, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder ebenfalls erkranken, deutlich höher. Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind von Allergien jedoch abzugrenzen. Zur Unterscheidung: Bei Unverträglichkeiten konzentrieren sich die Beschwerden auf unser Verdauungssystem. Bei allergischen Reaktionen durch Lebensmittel sind die Reaktionen weitaus vielfältiger. Die Augen tränen, und die Nase läuft. Vielleicht beginnt die Haut zu jucken, möglicherweise bilden sich charakteristische Ausschläge am Körper. In seltenen Fällen kommt es zu Atemnot – dann ist unverzüglich ein Notarzt hinzu­zuziehen.

Auch hier sollten auslösende Allergene bestmöglich gemieden werden. Apotheker:innen empfehlen sogenannte H1-Antihistaminika. Entsprechende Medikamente schwächen die Wirkung von Histamin als Auslöser körperlicher Reaktionen ab. Je nach Symptomatik gibt es lokal wirksame Nasensprays und Augentropfen oder Tabletten.

Laut der EU-weit gültigen Lebensmittelinformationsverordnung müssen Stoffe mit hohem Allergiepotenzial angegeben werden: glutenhaltige Getreidesorten, Krebstiere, Eier, Fische, Erdnüsse, Sojabohnen, Milch (einschließlich Laktose), Schalenfrüchte, Nüsse, Sellerie, Senf, Sesamsamen, Schwefeldioxid und Sulfite, Lupine und Weichtiere.

Kleine Plagegeister in unserem Bett

Hausstaubmilben sind mikroskopisch kleine Tierchen, die in unseren Matratzen und Teppichen leben. Sie ernähren sich von menschlichen Hautschuppen und Pilzen. Eine Hausstaubmilbenallergie wird nicht durch die Milben selbst, sondern durch das Einatmen ihres – im Hausstaub enthaltenen – Kotes ausgelöst. Während Pollenallergien die Betroffenen nur saisonweise quälen, leiden Hausstaubmilben-Allergiker:innen das ganze Jahr. Zu den häufigen Beschwerden zählen behinderte Nasenatmung, Dauer- oder Fließschnupfen sowie Niesanfälle, tränende, brennende und gerötete Augen und verklebte Augenlider, Juckreiz in Augen, Nase, Gehörgängen oder Rachen, „Verschleimtheitsgefühl“ in den Bronchien, trockener Reizhusten, Druckgefühl im Brustraum, pfeifende oder rasselnde Atemgeräusche, Atemnot, Hautjuckreiz, Hautekzeme.

Nach der Diagnose sollten Betroffene einige Maßnahmen ergreifen, um den Hausstaubmilben das Leben schwer zu machen. Dazu zählt eine konsequente Kontrolle des Raumklimas, das regelmäßige Waschen der Bettwäsche bei mehr als 60 Grad, das Entfernen von Staubfängern in der gesamten Wohnung (zumindest aber aus dem Schlafzimmer). Weiters können Anti­histaminika und Kortison die akuten Beschwerden ­lindern helfen. Dritte Säule der Behandlung ist die ­Spezifische Immuntherapie.

Apotheker-Tipp

Vielfältige Möglichkeiten
„Natürlich gibt es zum Thema Allergie viele Arzneimittel, die Linderung der Symptome verschaffen, aber in Wirklichkeit sollte das Ziel der Erhalt der symptomlosen Zeit sein. Sprays oder Lutschtabletten können das Eindringen der Allergene verhindern. Diese gibt es mit pflanzlichen oder orthomolekularen Wirkstoffen und sie überziehen die Schleimhaut mit einem Schutzfilm. Stärken Sie Ihr Immunsystem, um die Überreaktion des (geschwächten) Immun­systems zu reduzieren. Auch pflanzliche Präparate wie z. B. aus der Traganthwurzel sind zum Senken der Allergiesensibilität empfehlenswert. Mein Tipp zum Schluss: Nur kurzes Stoßlüften im Schlafzimmer und untertags den Kopfpolster abdecken, um den Kopfpolsterüberzug nicht mit Allergenen zu befüllen.“

von Mag. Philipp Rieder,
Maut Turm Apotheke in Timelkam

Interview Dr. med. Univ. Markus Berger: „Wir Menschen leben zunehmend ‚unnatürlicher‘“

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Dr. Markus Berger ist medizinischer Mitarbeiter des Österreichischen Pollenwarndienstes und forscht zu Aerobiologie und Allergologie. Wir haben den Experten nach seinen besten Allergie-Tipps gefragt und was von der Pollensaison 2023 zu erwarten ist.

DA Kann man schon Prognosen anstellen, wie die Pollensaison 2023 verlaufen wird – bzw. wie wird jetzt der April aussehen?
Dr. med. Univ. Markus Berger Die Saison der Frühblüher hat 2023 aufgrund der hohen Temperaturen bereits Mitte Jänner gestartet und ist unterdurchschnittlich verlaufen. Dennoch haben Pollenallergiker:innen auffällig starke Symptome angegeben. Die Birke befindet sich im April in der Hochsaison und wird Ende des Monats voraussichtlich direkt in die Gräserblüte übergehen.

DA Warum werden Pollenallergien immer komplexer?
Berger Weil die Menschen zunehmend „unnatürlicher“ leben. Die sich ausbreitende Urbanisierung, Hygienemaßnahmen und gentechnisch und mit
chemischen Zusätzen veränderte Nahrungsmittel beeinflussen unser Immunsystem. Sowohl die Klimaveränderung als auch die Luftverschmutzung beeinflussen nicht nur den Menschen, sondern auch Pflanzen und Pollen.

DA Wie wirken sich der Klimawandel und die Luftverschmutzung für Aller­giker:innen aus?
Berger Durch die steigenden Temperaturen beginnt die Pollensaison deutlich früher als in der Vergangenheit. Polysensibilisierte Allergiker:innen können mitunter von Jänner bis Oktober Beschwerden haben. Mit einer zusätzlichen Hausstaubmilbenallergie sind dann sogar Symptome das gesamte Jahr über möglich.
Auch die Luftverschmutzung hat negative Einflüsse auf Pollenallergiker:innen. Abgesehen von den zahlreichen schädlichen Effekten, die Luft­verschmutzung ohnehin auf uns hat, hat sich in einer Studie des Österreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien vor allem Ozon als relevant für Pollenallergiker:innen gezeigt. Erhöhte Ozonwerte, wie sie regelmäßig in den Sommermonaten in Großstädten zu finden sind, können Symptome einer Pollenallergie verstärken.

DA Was passiert überhaupt bei einer Allergie im Körper und wie kann man sich schützen?
Berger Eine Allergie ist eine Über­reaktion des Körpers auf einen normalerweise harmlosen Stoff (Allergen). Die Entstehung einer Allergie kann in zwei Phasen unterteilt werden. In der Sensibilisierungsphase kommt der Körper mit dem Allergen in Kontakt, sieht dieses als Gefahr und erzeugt IgE-Antikörper. Hierbei kommt es noch zu keiner allergischen Reaktion. In der zweiten Phase kommt der Körper erneut mit dem Allergen in Kontakt, Antikörper binden an Effektorzellen und Botenstoffe (z. B. Histamin) werden ausgeschüttet, welche zu den üblichen Symptomen führen: rinnende und juckende Nase und Augen, Niesen, bis zum anaphylaktischen Schock.
Die einzige kausale Therapie einer Pollenallergie ist die Immuntherapie durch einen Allergologen nach adäquater Diagnostik.
Als Betroffener kann man Symptome durch Allergenkarenz lindern oder sogar vermeiden. Auf der Website des Österreichischen Pollenwarndienstes (pollenwarndienst.at) werden kostenlos Pollenvorhersagen angeboten. Werden zusätzlich Symptome in unser digitales Pollentagebuch eingetragen, können sogar personalisierte Symptomvorhersagen angeboten werden.

DA Gibt es neue Forschungserkenntnisse zu Allergien?
Berger Die altbekannten Therapieformen (sowohl symptomatisch als auch kausal) werden laufend weiter­entwickelt. So werden mit neuen Präparaten zum Beispiel Nebenwirkungen reduziert oder die Wirkung wird verbessert. Derzeit wird außerdem der Effekt monoklonaler Antikörper auf Pati­ent:innen mit allergischer Rhinitis evaluiert. Hierbei muss man allerdings noch etwas Geduld zeigen bis, und ob diese Therapieform am Markt erhältlich ist.

DA Danke für das Gespräch.