Wie der Stand der Dinge bei der Impfstoffentwicklung ist und warum man nicht auf die Influenza-Impfung vergessen sollte.
Impfungen sind die wichtigste Präventionsmaßnahme, um sich vor schweren Krankheiten zu schützen. Weltweit sind Impfstoffe gegen 27 Infektionskrankheiten verfügbar. Auch die SARS-CoV-2-Pandemie wird erst ein Ende finden, wenn es ein effektives Medikament beziehungsweise einen Impfstoff gegen das Virus gibt.
Die kolportierten Angaben, wann es denn so weit sein könnte, gingen von Anfang an weit auseinander – bereits im September 2020, Frühjahr 2021 oder eventuell nie, lauteten die Prognosen. Derzeit gibt es rund 180 verschiedene Corona-Impfstoff-Projekte – darunter einige ernstzunehmende Kandidaten. 40 Impfstoffe sind in einer klinischen Prüfungsphase, zehn davon in der klinischen Studienphase III. Doch was bedeuten diese Phasen konkret?
Der Ablauf: Präklinik und klinische Prüfung
Bis ein Impfstoff auf den Markt kommt, muss er einen mehrstufigen, komplexen Prozess durchlaufen, der gewährleisten soll, dass das Produkt wirkt und sicher ist.
Ein neuer Wirkstoff muss am Menschen in Studien erprobt werden. Ziel ist es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit nachzuweisen und die medizinische Versorgung zukünftiger Patienten zu verbessern.
Präklinik:
Bevor aber ein Wirkstoff am Menschen getestet werden kann, muss er auf seine Unbedenklichkeit in Zellmodellen (In-vitro-Tests) und Tiermodellen (In-vivo-Tests) geprüft werden. Manche Tests können mit Zellkulturen erprobt werden, die meisten jedoch lassen sich nur an Gesamtorganismen studieren. Erst wenn ein Wirkstoff alle vorklinischen Tests positiv abgeschlossen hat, kann er erstmals am Menschen angewendet werden.
Klinische Prüfung:
Dank der Bereitschaft vieler Freiwilliger können laufend neue Medikamente entwickelt werden. Klinische Prüfungen zur Entwicklung neuer Arzneimittel werden mit größter Sorgfalt und unter strengen Vorgaben durchgeführt. Eine wesentliche Grundvoraussetzung einer jeden klinischen Prüfung ist, dass die Teilnahme immer freiwillig erfolgt und jederzeit wieder beendet werden kann.
Die relevanten Informationen zur Zulassung eines Arzneimittels werden in den klinischen Prüfungen der Phasen I bis III erhoben. In Phase I wird der Wirkstoff erstmals angewendet, um dessen Verhalten bei gesunden Probanden festzustellen. Ein Ziel ist zum Beispiel, Informationen über die Verträglichkeit zu bekommen.
In der anschließenden Phase II wird die Wirkung untersucht und Dosisfindung betrieben. Im Unterschied zu den bisherigen Phasen wird die Prüfung in der Phase III an einer großen Zahl von Patienten (mit einschlägiger Erkrankung) durchgeführt. Es geht darum, die Wirksamkeit sicher belegen zu können und eventuelle seltene Nebenwirkungen zu erfassen.
Die Behandlungsdauer im Rahmen der klinischen Studien kann mitunter mehrere Jahre betragen. Auch nachdem die Zulassung erteilt wurde, hört die Forschung nicht auf: In der so genannten Phase IV werden weiterführende Daten nach der Zulassung erhoben.
Nicht jedes Projekt zur Entwicklung eines neuen Wirkstoffs endet mit einer erfolgreichen Markteinführung. Laut einer Übersichtsstudie schaffen es gerade einmal sechs Prozent der Kandidaten bis zur Zulassung. Im Schnitt vergehen dabei fast elf Jahre.
Wer hat die Nase vorne?
Es ging durch alle Zeitungen und Nachrichtensendungen: „Russland hat einen Corona-Impfstoff.“ Diese Meldung war und ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Der russische Impfstoff „Sputnik V“ wurde schon nach einer kleinen Phase II zugelassen, ohne dass eine Phase III durchgeführt wurde. Außerdem gibt es einige Fragen zu den Daten der Phase-I- und II-Studien. Effizienz und Sicherheit sind bei dem russischen Impfstoff also nach wie vor nicht bewiesen.
Laut Experten ist ein Impfstoff der Firma AstraZeneca in Zusammenarbeit mit der Oxford University am weitesten. Der Impfstoff „AZD1222“ wird derzeit an bis zu 50.000 Probanden getestet.
Influenza-Impfung: Die Nachfrage ist groß
Die noch immer andauernde Corona-Pandemie wird sich im Winter mit der Grippesaison kreuzen, die Nachfrage nach der Influenza-Impfung ist daher heuer besonders groß.
Empfohlen wird die Impfung vor allem Personen ab 60 Jahren sowie Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Herz- und Lungenleiden, aber auch Rauchern und Schwangeren.
Grippeimpfung: Laufende Aktionen
Österreichweit gibt es erstmals eine Gratis-Impfaktion für Kinder von zwei bis 15 Jahren mittels Nasenspray. Dabei werden die Antigene über die Schleimhaut der Nase aufgenommen.
In Wien wird die Impfung heuer erstmals für alle gratis sein und in einer groß angelegten Impfaktion der Stadt Wien verabreicht.
Der Zeitpunkt für die Impfung ist jetzt gerade gut – laut Experten ist die beste Zeit für eine Grippeimpfung Ende Oktober bis Mitte November, denn der Impfschutz hält meist rund sechs Monate an.
Genug Grippeimpfstoff für alle?
Die Impfbereitschaft der Österreicher war in den letzten Jahren überschaubar: Nur rund acht Prozent haben sich gegen die Influenza impfen lassen. „Die Durchimpfungsrate in Österreich liegt im europäischen Durchschnitt viel zu niedrig“, so Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer.
Das Angebot ist jedoch gestiegen. Jedes Land, so auch Österreich, erhält ein bestimmtes Kontingent, welches sich an der Impfbereitschaft der letzten Jahre orientiert. Heuer ist dieses Kontingent sogar um 60 Prozent höher ist als im Vorjahr. Trotzdem kursieren Berichte, dass es Engpässe gäbe.
„Man sollte sich von der unübersichtlichen Situation beim Grippeimpfstoff nicht täuschen lassen. Apothekerinnen und Apotheker tun alles in ihrer Macht Stehende, um die Verfügbarkeit von Impfstoff zu gewährleisten und zusätzlichen Impfstoff auf dem Weltmarkt aufzutreiben“, erklärt Kobinger. Man reagiert auf die hohe Nachfrage so gut es geht, die Produktion der Impfstoffe dauert jedoch seine Zeit. Die aktuelle Schätzung lautet, dass bis Dezember die Lieferengpässe behoben werden können.
Abgeschwächte Grippesaison auf der Südhalbkugel:
Einen Lichtblick gibt es von der Südhalbkugel: In der dortigen Grippesaison erkrankten deutlich weniger Menschen als in Vorjahren. Während in normalen Jahren 10 bis 30 Prozent der untersuchten Patientenabstriche Influenzainfektionen aufwiesen, sei es in der abgelaufenen Saison weniger als ein Prozent gewesen.
Ob die geringe Ausbreitung in Australien, Neuseeland und Südafrika bedeutet, dass es auch auf unserer Nordhalbkugel wenig Fälle geben wird, ist aber noch unklar.
Eines dürfte aber gewiss sein: Coronamaßnahmen wie Abstand halten, Handhygiene und Masken tragen schützen auch vor Influenzaviren.
In der Print-Ausgabe von „DA - Deine Apotheke“ finden Sie im November 2020 ein Interview mit dem Infektiologen Herwig Kollaritsch. Der Leiter der Abteilung Epidemiologie und Reisemedizin am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Medizinischen Universität Wien erzählt, warum es mit der Zulassung eines Impfstoffs schneller gehen könnte, und welche Hürden sich bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff auftun.
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