Bei dieser häufigen chronisch-neurologischen Erkrankung kommt es aufgrund einer Fehlfunktion des Gehirns zu Anfällen.

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Unter Epilepsie ("Fallsucht") versteht man eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der das Gehirn vorübergehend nicht funktionsfähig ist. Die damit einhergehenden Anfälle werden als "epileptische" Anfälle bezeichnet. Diese sind durch plötzlich auftretende, synchrone elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet, die zu Zuckungen beziehungsweise gestörten sensorischen oder psychischen Empfindungen führen.

Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Epilepsie zu erkranken liegt bei rund drei Prozent. Etwa fünf Prozent der Bevölkerung haben einmal im Leben einen epileptischen Anfall, ohne jedoch zwangsläufig eine Epilepsie zu entwickeln. Erst wenn mindestens zwei epileptische Anfälle aufgetreten sind, die nicht durch eine unmittelbar vorangehende erkennbare Ursache ausgelöst wurden, spricht man von einer Epilepsie. Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten. Besonders häufig sind jedoch Kinder sowie Personen ab dem 60. Lebensjahr betroffen.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

  • Bewahren Sie die Ruhe. Ein epileptischer Anfall hört meist nach ein bis zwei Minuten von selbst auf.
  • Räumen Sie alle gefährlichen Gegenstände aus der Nähe der betroffenen Person weg, um die Verletzungsgefahr zu verringern.
  • Wählen Sie den Notruf.
  • Versuchen Sie nicht, die betroffene Person festzuhalten und stecken Sie nichts in ihren Mund.
  • Warten Sie bis der Anfall vorbei ist und kontrollieren Sie anschließend die Atmung der betroffenen Person.
  • Stützen Sie den Kopf der betroffenen Person mit etwas Weichem und bringen Sie sie in die stabile Seitenlage.
  • Wenn sich Speichel am Mund befindet, wischen Sie diesen vorsichtig weg.
  • Warten Sie auf das Eintreffen des Rettungsdienstes oder des Notarztes.

Formen der Epilepsie

Es gibt unterschiedliche Formen und Ausprägungen der Epilepsie. Grundsätzlich wird dabei zwischen sogenannten generalisierten und fokalen Anfällen unterschieden.

Generalisierte Epilepsie

Bei den generalisierten Anfällen ist das gesamte Gehirn von der epileptischen Aktivität betroffen. Man unterteilt diese Art von Anfällen zudem in folgende Unterformen:

  • Absencen: plötzliche, kurze Bewusstseinspausen; tritt häufig bei Kindern auf
  • Tonische Anfälle:kurze Anfälle, bei denen sich Gliedmaßen verkrampfen und versteifen; es kommt oft zu Stürzen
  • Atonische Anfälle:plötzlicher, kurzzeitiger Verlust der Muskelspannung; ebenfalls Sturzgefahr
  • Klonische Anfälle:langsames, rhythmisches Zucken großer Muskelgruppen; verbunden mit Bewusstseinsverlust
  • Myoklonische Anfälle:rasches Zucken einzelner Muskelgruppen; Bewusstsein ist in der Regel nicht beeinträchtigt
  • Generalisierte tonisch-klonische Anfälle („Grand mal“):sogenannter "großer Krampfanfall"; Krampfen und Zucken des ganzen Körpers bei gleichzeitigem Bewusstseinsverlust

Fokale Epilepsie

Bei einem fokalen Anfall ist wiederum nur ein Teil des Gehirnes betroffen. Wie sich diese Anfälle äußern, hängt davon ab, für welche Funktion der jeweilige Bereich zuständig ist. Fokale Anfälle können mit oder ohne Beeinträchtigung des Bewusstseins ablaufen. Mögliche Symptome sind unter anderem:

  • Auren:Unter Auren versteht man bewusst erlebte fokale Anfälle, die nur wenige Sekunden anhalten. Betroffene bemerken dabei Veränderungen der Wahrnehmung, die unterschiedliche Sinne betreffen können. Dazu gehören unter anderem Veränderungen des Sehens, das Hören von nicht vorhandenen Geräuschen oder Veränderungen des Geruchs- bzw. Geschmackssinns.
  • Zuckungen oder Verkrampfungen des Gesichts, der Arme oder Beine (motorischer Anfall)
  • plötzliches Unterbrechen einer durchgeführten Handlung (Innehalten)
  • ungewöhnliche körperliche bzw. psychische Empfindungen oder Gedanken
  • Automatismen: automatisches Wiederholen bestimmter Verhaltensmuster (z.B. Schmatzen, Schlucken, Nesteln, Kaubewegungen)

Epilepsie bei Kindern

Bei Kindern zählen epileptische Anfälle zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Etwa 0,5 % der Kinder und Jugendlichen sind von Epilepsie betroffen. Häufige Ursachen sind eine genetisch bedingte Anfälligkeit oder auch eine Unterversorgung mit Sauerstoff während der Schwangerschaft oder der Geburt.

Da sich epileptische Anfälle ganz unterschiedlich zeigen können, werden die Symptome bei Kindern oft falsch gedeutet und manchmal nicht als Epilepsie erkannt. Wenn die Erkrankung richtig diagnostiziert wird, ist sie oft gut behandelbar.

Zu den häufigsten Formen der Epilepsie bei Kindern gehören:

  • Absence-Epilepsie: charakterisiert durch kurze Bewusstseinspausen (starrer Blick, Unansprechbarkeit); zeigt sich meist im Alter von fünf bis acht Jahren und kann bis zu hundert Mal am Tag auftreten
  • Rolando-Epilepsie:Muskelkrämpfe im Gesicht; außerdem kann es zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen, Sprech- und Schluckstörungen oder vermehrtem Speichelfluss kommen; Anfälle meist beim Einschlafen oder Aufwachen
  • Juvenile myoklonische Epilepsie: Anfälle mit Muskelzuckungen; häufig auch heftige, unkoordinierte Armbewegungen; tritt meist nach dem Aufwachen auf; zeigt sich erstmals in der Pubertät
  • West-Syndrom: schwere Epilepsieform, die fast immer im Säuglingsalter beginnt; meist mehrere kurze Anfälle hintereinander nach dem Aufwachen oder beim Einschlafen; Körper des Kindes beugt und streckt sich, Muskulatur verkrampft ruckartig

Eine bei Kindern besonders weit verbreitete Anfallsform ist der sogenannte Fieberkrampf. Etwa 3 % der Kinder unter 7 Jahren erleiden zumindest einmal einen solchen. Die betroffenen Kinder sind jedoch im Regelfall nicht an Epilepsie erkrankt, da die Anfälle nur bei Fieber auftreten.

Ursachen & Risikofaktoren

Epileptische Anfälle können vielfältige Ursachen haben.

Wenn sich die epileptischen Anfälle auf konkrete strukturelle Veränderungen im Gehirn zurückführen lassen sprechen Mediziner:innen von einer strukturellen (auch "symptomatischen") Epilepsie. Die ursächlichen Schädigungen können dabei sowohl angeboren als auch im Laufe des Lebens erworben sein. Bekannte Auslöser von struktureller Epilepsie sind unter anderem:

  • angeborene Fehlbildungen des Hirngewebes
  • Hirnschädigungen, die während der Schwangerschaft oder durch Sauerstoffmangel bei der Geburt entstanden sind
  • Schädel-Hirn-Traumata
  • Schlaganfälle
  • Hirntumoren
  • Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis) oder der Hirnhäute (Meningitis)
  • Gefäßmissbildungen
  • Stoffwechselerkrankungen

Bei manchen Personen mit einer erhöhten Anfallsbereitschaft können (gelegentliche) epileptische Anfälle durch verschiedene äußere Umstände und Reize ausgelöst werden. Zu diesen Auslösern gehören unter anderem:

  • massiver Schlafentzug
  • hohes Fieber (vor allem bei Kindern)
  • Flickerlicht mit Stroboskopeffekt, z. B. in Diskotheken
  • Vergiftungen
  • Alkohol, Drogen und bestimmte Medikamente

Manchmal lässt sich - trotz ausführlicher Untersuchungen - keine erkennbare Ursache für die epileptischen Anfälle ausmachen. Fachleute sprechen dann auch von ungeklärter (kryptogener) Epilepsie.

Mitunter besteht auch eine ererbte Neigung für epileptische Anfälle (genetische/idiopathische Epilepsie). Die Anfälle werden dann durch einen oder auch mehrere nachweisliche oder vermutete genetische Defekte verursacht. Die Erkrankung Epilepsie ist nach derzeitigem Forschungsstand jedoch nicht vererbbar - die Eltern geben meist nur die Anfälligkeit für Krampfanfälle an ihre Kinder weiter.

In vielen Fällen ist eine Kombination aus genetischen und strukturellen Faktoren für den Ausbruch der Erkrankung verantwortlich.

Diagnostik

Nach einem ersten (epileptischen) Anfall sollte für eine genaue Untersuchung unbedingt der Gang zu einem Neurologen/einer Neurologin erfolgen.

Zunächst versucht der Facharzt/die Fachärztin im Zuge eines ausführlichen Gesprächs (Anamnese) zu klären, ob es sich tatsächlich um einen epileptischen Anfall gehandelt hat oder eventuell ein anderes Krankheitsbild zugrunde liegt. Da sich Betroffene häufig selbst nicht gut an das Erlebte erinnern können, ist es vorteilhaft, wenn Menschen, die den Anfall beobachtet haben, bei dem Gespräch dabei sind. Der Arzt/die Ärztin versucht im Zuge der Anamnese auch zu eruieren, ob eventuelle Auslöser (z.B. Schlafmangel, Alkohol, Drogen) oder genetische Vorbelastungen vorliegen.

In einem weiteren Schritt erfolgt eine körperliche und neurologische Untersuchung. Auch eine Blutprobe wird in der Regel entnommen.

Zu den wichtigsten Verfahren bei der Diagnostik von Epilepsie zählen elektrophysiologische Verfahren wie das Elektroenzephalogramm (EEG). Bei einem EEG werden Elektroden an bestimmten Punkten auf der Kopfhaut platziert, um die Gehirnströme zu messen. Kurvenveränderungen im EEG können auf eine erhöhte Anfallsbereitschaft in gewissen Hirnregionen hindeuten. Manchmal ist das EEG bei Epilepsie jedoch auch unauffällig.

Ein weiteres wichtiges Untersuchungs-Verfahren ist die Magnetresonanztomografie (MRT). Bei dieser werden durch wechselnde, starke Magnetfelder Schnittbilder des Gehirns erzeugt. Anhand dieser Bilder kann ein Fachmediziner/eine Fachmedizinerin feststellen, ob etwaige Schädigungen oder Fehlbildungen (z.B. Verkalkungen, Tumoren, Gefäßmissbildungen) bestehen, die als Auslöser für Epilepsie in Frage kommen. Weitere bildgebende Verfahren, die zum Einsatz kommen können sind die sogenannte Positronen-Emissions-Tomographie (PET) sowie die Einzel-Photonen-Emissions-Computertomographie (SPECT).

Auch neuropsychologische Untersuchungen können bei der Diagnostik von Epilepsie aufschlussreich sein. Dabei werden verschiedene kognitive Funktionen wie zum Beispiel die Konzentrationsfähigkeit oder die Sprach- und Gedächtnisleistung untersucht, um etwaige Beeinträchtigungen festzustellen.

Therapie

Welche Therapie in Frage kommt, hängt vor allem von der Form und Schwere der Epilepsie ab. In vielen Fällen bleibt es bei einem einzigen Anfall, dann ist eine Therapie zunächst nicht zwingend erforderlich. Grundsätzlich sollten Nutzen und Risiken einer Epilepsie-Behandlung vom Arzt/von der Ärztin gemeinsam mit der betroffenen Person bzw. den nahen Angehörigen sorgfältig abgewogen werden.


Medikamentöse Behandlung

In den meisten Fällen wird die Epilepsie mit speziellen Medikamenten, sogenannten Antiepileptika, behandelt. Diese hemmen die übermäßige Aktivität von Nervenzellen im Gehirn und senken somit das Risiko für einen epileptischen Anfall.

Zur Verfügung stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen, wobei die Behandlung zunächst meist mit einem einzelnen Wirkstoff versucht wird (Monotherapie). Sollte sich bei diesem Medikament nicht die gewünschte Wirkung zeigen (also nach wie vor Anfälle auftreten), kann entweder auf einen anderen Wirkstoff umgestellt werden beziehungsweise eine Kombination von mehreren Wirkstoffen zur Anwendung gelangen (Kombinationstherapie).

Antiepileptika werden in den meisten Fällen über mehrere Jahre hinweg eingenommen. Bei zwei Drittel der Epilepsie-Patient:innen kann durch die medikamentöse Behandlung eine Anfallsfreiheit erreicht werden. Für eine erfolgreiche Therapie ist es essentiell, dass die betroffene Person die Medikamente regelmäßig und wie vorgeschrieben einnimmt - auch, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg kein Anfall aufgetreten ist.


Operation

Wenn sich eine Epilepsie trotz der Einnahme von Antiepileptika nicht bessert, kann unter Umständen eine Operation zielführend sein. Dies gilt vor allem für die fokale Epilepsie, bei der die Anfälle von einem bestimmten Bereich im Gehirn ausgehen. In manchen Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen ist es dann möglich, den betroffenen Bereich des Gehirns operativ zu entfernen (resektive Hirnoperation).


Stimulationsverfahren

Als eine weitere Therapie-Option bei Epilepsie kommen sogenannte Stimulationsverfahren in Frage. Auch diese kommen meist dann zum Einsatz, wenn die medikamentöse Behandlung nicht den erwünschten Effekt hat. Derzeit stehen zur Behandlung der Epilepsie zwei Stimulationsverfahren zur Verfügung, durch die in vielen Fällen eine deutliche Verringerung der Anfallshäufigkeit erzielt werden: die Vagusnerv-Stimulation und die Tiefe Hirnstimulation, zur Verfügung.

Bei der Vagusnerv-Stimulation (VNS) wird eine Art Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich eingesetzt, der regelmäßig elektrische Impulse generiert und damit einen bestimmten Nerv im Halsbereich, den Vagusnerv, reizt. Dieser Prozess soll eine Hemmung der epileptischen Hirnaktivität bewirken und so zu einer Verringerung der Anzahl und Intensität der Anfälle führen.

Bei der Tiefen Hirnstimulation (THS) werden kleine Elektroden in bestimmten Bereichen des Gehirns platziert. Diese stimulieren das Nervengewebe mit elektrischen Impulsen und sollen so ebenfalls die Häufigkeit der epileptischen Anfälle verringern.


Ketogene Diät

Die sogenannte ketogene Diät gehört zu den ergänzenden Behandlungsverfahren, die bei Epilepsie eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um eine spezielle kohlenhydratarme, fettreiche Form der Ernährung, deren Wirksamkeit bei Kindern mit bestimmten Epilepsie-Formen in Studien gezeigt wurde.