Laut einer aktuellen Studie macht sich mehr als jede:r Dritte Sorgen wegen der Lieferengpässe; Jede:r Sechste der Befragten gibt an, selbst betroffen zu sein.

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Seit Monaten sind viele Medikamente kaum oder gar nicht mehr in Österreich verfügbar. Und die Lieferprobleme halten weiter an. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) listet aktuell mehr als 600 Medikamente auf, die nur eingeschränkt oder gar nicht verfügbar sind – darunter auch Antibiotika, Blutdrucksenker, Schmerzmittel oder Hustensäfte.

Laut einer aktuellen Studie unter 1.000 Befragten des Online Research Instituts Marketagent stellt für mehr als ein Drittel der heimischen Befragten (36 Prozent) die Knappheit von Medikamenten eine Bedrohung dar. In der Gruppe der Frauen machen sich sogar vier von zehn sehr oder eher große Sorgen deswegen. 17 Prozent der befragten Österreicher:innen zwischen 14 und 75 Jahren geben an, selbst von den Engpässen betroffen zu sein. Damit ist rund jede:r Sechste derzeit nicht in der Lage, die gewohnte oder gewünschte Versorgung mit Arzneimitteln zu erhalten.

Ist die Medikamentenknappheit ein österreichisches Problem?

Die Lieferengpässe bei Medikamenten und Medizinprodukten sind kein österreichisches, sondern ein globales Problem. Laut der Österreichischen Apothekerkammer sind die Lieferengpässe eine negative Folge der Globalisierung. Es ist kein Geheimnis, dass die meisten Arzneimittelhersteller aus Kostengründen nicht mehr in Europa, sondern fast nur noch in Asien (vor allem in China und Indien) ihre Produktionsstätten haben. Häufig wird ein Wirkstoff nur noch an einem oder zwei Standorten weltweit produziert. So kann ein Produktionsausfall an diesem Standort schnell zu weltweiten Lieferschwierigkeiten führen – etwa aufgrund eines nicht verfügbaren Rohstoffes, eines Lockdowns oder aufgrund einer technischen Störung. Dasselbe gilt für die Lagerung, die zunehmend an wenigen Standorten der Hersteller im Ausland und nicht mehr in Österreich erfolgt. Eine Rolle spielen auch die vergleichsweise niedrigen Arzneimittelpreise in Österreich, die den Markt hierzulande für Hersteller teilweise unattraktiv machen. Folglich werden andere Länder mit höherem Preisniveau wie Deutschland oder die Schweiz bei der Belieferung mit Arzneimitteln priorisiert.

Wie viel Mehraufwand entsteht den Apotheker:innen aufgrund der Lieferengpässe?

Für die Apotheken sind Lieferengpässe bei Medikamenten nichts Neues. Sie sind damit seit Jahren täglich konfrontiert. In erster Linie entsteht damit für die Apotheker:innen ein erheblicher Mehraufwand. Laut der Österreichischen Apothekerkammer investiert jede Apotheke pro Tag im Schnitt rund zwei Stunden in die aufwendige Suche nach gleichwertigen Lösungen.

Was unternehmen die Apotheker:innen, wenn ein Medikament eingeschränkt oder nicht lieferbar ist?

Unsere Apotheker:innen unternehmen alles, um betroffenen Apothekenkund:innen zu helfen. In vielen Fällen ist es möglich, auf ein Generikum, also auf ein wirkstoffgleiches Medikament, zurückzugreifen. Es wird auch versucht, das Arzneimittel in einer anderen Apotheke oder im Ausland zu beschaffen. Zudem setzt man auf die magistrale Zubereitung im apothekeneigenen Labor, die jedoch leider sehr aufwendig ist.

Laut der österreichischen Apothekerkammer werden in den öffentlichen Apotheken pro Jahr knapp drei Millionen Arzneimittel speziell für einzelne Patient:innen hergestellt. Sei es, weil der Arzt oder die Ärztin die Einzelanfertigung als bestgeeignete Therapie verordnet, weil kein industriell hergestelltes Präparat existiert oder weil dieses eben nicht lieferbar ist. Diese besondere apothekerliche Leistung bildet seit Jahrzehnten eine wichtige Versorgungssäule des österreichischen Gesundheitssystems – und ist im Zuge der Lieferengpass-Thematik noch wichtiger geworden.

Die gute Nachricht: In rund 95 Prozent der Fälle gelingt es den Apotheker:innen, vor Ort in der Apotheke eine Lösung für das Anliegen des Patienten bzw. der Patientin zu finden. In den übrigen Fällen wird gemeinsam mit dem behandelnden Arzt weiter nach einer Lösung gesucht.

Was sind magistrale Zubereitungen?

Apotheker:innen können Arzneimittel wie Salben, Tropfen, Sirupe, Tinkturen, Zäpfchen, Kapseln oder Augentropfen nach individuellen Bedürfnissen der Patient:innen im apothekeneigenen Labor selbst herstellen. Man spricht hierbei von „magistralen Zubereitungen“. Die Anfertigung erfolgt nach ärztlicher Verschreibung, nach den Vorschriften des Arzneibuchs oder nach eigenen Rezepturen. Die frische und individuelle Zubereitung von Arzneimitteln erfordert großes pharmazeutisches Wissen und ist eine sehr anspruchsvolle Apothekenleistung.

So wird es zum Beispiel ermöglicht, Einzelanfertigungen in individuellen Dosierungen herzustellen. Vor allem Säuglinge und Kinder benötigen häufig spezielle Dosierungen, die von den verfügbaren standardisierten Fertigarzneimitteln abweichen. Ein weiterer Fall für diese „Medikamente nach Maß“ sind magistrale Zubereitungen für Menschen, die allergisch gegen bestimmte Konservierungsmittel in industriell erzeugten Medikamenten reagieren. Häufige Anwendungsbeispiele für magistrale Zubereitungen sind unter anderem Salben bei Hauterkrankungen oder Hustensäfte für Kinder.

Rohstofflager für akuten Lieferengpass bei Antibiotika-Säften?

Apothekerkammer-Präsidentin Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr erklärte kürzlich, dass sich der seit Herbst akute Lieferengpass bei bestimmten Medikamenten nun bei Antibiotikasäften für Kinder weiter verschärft hat. Derzeit sind in Österreich die bewährtesten Breitband-Antibiotikasäfte für Kinder nicht verfügbar und die Apotheken haben Wartelisten mit einem Rückstand von 23.000 Packungen. Mursch-Edlmayr hat außerdem eine konkrete Lösung für die aktuelle Antibiotikasaft-Problematik für Kinder angeboten: nämlich ein Rohstofflager in Österreich einzurichten und die benötigten Arzneimittel in den Apotheken selbst herzustellen.

„Wenn wir für unsere Kinder keine Antibiotika-Säfte mehr haben, ist das unerträglich. Wir müssen handeln und die Sache selbst in die Hand nehmen“, kommentiert Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Apothekerkammer Österreich, die aktuellen Medikamenten-Engpässe gegenüber DeineApotheke.at. Sie ist aktuell mit internationalen Rohstoffhändlern und dem Gesundheitsministerium in Verhandlung. „Und es schaut gut aus. Sobald wir die Rohstoffe haben, können wir die Antibiotika-Säfte vorübergehend selbst herstellen.“ Damit sei das Problem Medikamentenmangel zwar nicht gelöst, aber zumindest gelindert.