Ob eine Frau die Wechseljahre als stürmisch oder heiter erlebt, ist nicht wirklich vorhersehbar. Fest steht, dass es eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, um die Herausforderungen dieser speziellen Lebensphase zu meistern. Wie man das Wohlbefinden steigern und mögliche Beschwerden reduzieren kann, berichtet die Wiener Gynäkologin Dr.in Denise Tiringer im Gespräch.
Der Wechsel: Was ist das überhaupt?
Ab dem 40. Lebensjahr reduziert der Körper allmählich die Produktion der weiblichen Hormone Progesteron und Östrogen. Beide Hormone haben Auswirkungen auf den Zyklus, der bereits ab diesem Zeitpunkt erste Unregelmäßigkeiten aufweisen kann. In dieser auch als „Prämenopause“ bezeichneten Phase wird der Vorrat an Eizellen in den Eierstöcken langsam weniger und die Umstellung des hormonellen Gleichgewichts beginnt. Typische erste Anzeichen für den Beginn der Wechseljahre können eine erhöhte Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Spannungsgefühle in der Brust, Wassereinlagerungen, Gewichtszunahme, Gelenksschmerzen oder Migräne sein. Den Zeitraum zwischen ein bis zwei Jahre vor und bis zu einem Jahr nach der letzten Regelblutung bezeichnen Mediziner als „Perimenopause“. Die Abstände zwischen den Regelblutungen werden größer und die Produktion der Östrogene nimmt stetig ab, bis die Eierstöcke die Östrogenproduktion vollkommen einstellen. Speziell in dieser Zeit, die den eigentlichen „Wechsel“ markiert, treten die Beschwerden am stärksten auf. Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Nachtschweiß, Schlafstörungen, starke Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsstörungen können die Lebensqualität ebenso beeinträchtigen wie Herzbeschwerden, Kreislaufprobleme, depressive Stimmungsschwankungen, trockene Haut, verstärkter Harndrang oder Libidoverlust. Zwölf Monate nach der letzten Regelblutung kommt der Hormonhaushalt langsam wieder zur Ruhe. Meist bessern sich in der „Postmenopause“ auch die typischen Beschwerden. Die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen sind fließend und von Frau zu Frau unterschiedlich.
Interview
DA Wodurch sind die Wechseljahre gekennzeichnet?
Dr.in Denise Tiringer Die Wechseljahre sind eine Phase des Umbruchs. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt, der an kaum einer Frau spurlos vorübergeht und für jede eine ganz individuelle Erfahrung darstellt. Rund ein Drittel der Frauen durchschreiten die Wechseljahre ohne Beschwerden. Bei einem weiteren Drittel sind die Symptome so leicht, dass keine Therapie notwendig ist. Beim letzten Drittel leidet die Lebensqualität deutlich und somit ist eine Behandlung sinnvoll.
DA Warum kommen manche Frauen früher, andere später in den Wechsel?
Tiringer Wann eine Frau zum letzten Mal ihre Regelblutung hat, wird vorwiegend von den Genen bestimmt. Es gibt jedoch beeinflussbare Risikofaktoren, die vorzeitige Wechseljahre begünstigen können, wie zum Beispiel Rauchen, Alkoholkonsum und Übergewicht. Von vorzeitigen Wechseljahren spricht man, wenn die Menopause vor dem 40. Lebensjahr eintritt. Auch verschiedene Erkrankungen wie Diabetes, Virusinfektionen, Autoimmunerkrankungen oder genetische Störungen können eine Rolle spielen. Frauen, die im Bereich der Gebärmutter oder der Eierstöcke operiert werden mussten oder die eine Chemo- bzw. Strahlentherapie hinter sich haben, kommen ebenfalls tendenziell etwas früher in den Wechsel.
DA Wie können Frauen selbst aktiv werden, um bestmöglich durch diese stürmische Zeit zu kommen?
Tiringer Ein gesunder Lebensstil, ausreichend Bewegung und eine gesunde Ernährung spielen eine wichtige Rolle in den Wechseljahren. Mit steigendem Alter nimmt der Grundumsatz ab. Wird am Lebensstil und der Ernährung nichts verändert, ist eine Gewichtszunahme quasi vorprogrammiert. Ich empfehle daher, die eigenen Ernährungsgewohnheiten zu überprüfen und an die Veränderungen im Körper anzupassen. Eine ausgewogene Ernährung sollte viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, reichlich Eiweiß, hochwertige Pflanzenöle und kalorienfreie oder -arme Getränke enthalten. Scharfes Essen, Kaffee und schwarzer Tee sollten hingegen reduziert werden. Auch ein Verzicht auf übermäßigen Alkohol- und Nikotingenuss kann Beschwerden lindern. Durch das Abfallen des Östrogenspiegels steigt das Risiko für die Entstehung einer Osteoporose: Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft ist nicht nur für das körperliche und seelische Wohlbefinden gut, sondern stärkt auch die Knochen.
DA Viele Frauen leiden in den Wechseljahren an trockener Haut. Was können Sie hier raten?
Tiringer Die hormonellen Veränderungen lassen Haut und Schleimhäute trocken werden. Dies kann Juckreiz, brennende Augen, einen trockenen Mund oder Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr zur Folge haben. In den Wechseljahren ist es deshalb besonders wichtig, ausreichend zu trinken. Zudem sollte die Haut täglich mit feuchtigkeitsspendenden und rückfettenden Lotionen gepflegt werden. Befeuchtende Augentropfen, Lutschpastillen und pflegende Vaginalgels können dabei helfen, die Beschwerden zu lindern.
DA Wie können Entspannungstechniken das Wohlbefinden steigern?
Tiringer Um mit den Herausforderungen in den Wechseljahren bewusst umzugehen und wieder zur Ruhe zu kommen, helfen verschiedene Entspannungstechniken wie Atemübungen, Yoga, Meditation, Mentaltraining oder Hypnose. Die Wirkung von Yoga bei Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen ist unbestritten. Das sogenannte „Hormon-Yoga“ soll darüber hinaus auch helfen, das hormonelle Gleichgewicht zu fördern. In jedem Fall trägt Yoga als sanftes Bewegungstraining dazu bei, bis ins hohe Alter fit, beweglich und vital zu bleiben.
DA Mit welchen Wirkstoffen kann die Natur unterstützen?
Tiringer Bestimmte pflanzliche Wirkstoffe wie Isoflavone oder Phytoöstrogene lassen sich zur Linderung von Wechselbeschwerden einsetzen. Diese können jedoch Neben- und Wechselwirkungen haben und sollten daher nur in Abstimmung mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt eingenommen werden. Die bekanntesten pflanzlichen Wirkstoffe zur Therapie im Wechsel sind die sogenannten Phytoöstrogene. Sie sind chemisch ähnlich aufgebaut wie das weibliche Sexualhormon Östrogen und docken daher im Körper an die entsprechenden Rezeptoren an, weisen aber eine wesentlich schwächere Wirkung auf. Phytoöstrogene werden in den verschiedensten Formen wie Cremes, Kapseln, Zäpfchen etc. angeboten. Enthalten sind sie etwa in Traubensilberkerze, Ginseng, Nachtkerzenöl, Soja-Isoflavonen oder Rotklee.
DA Wann ist eine hormonelle Behandlung anzuraten?
Tiringer Eine Hormonersatztherapie wird bei starken Wechseljahresbeschwerden oder frühem Beginn der Wechseljahre eingesetzt. Ziel ist die Linderung der Symptome durch Zufuhr der Hormone Östrogen und Progesteron. Jedoch werden Medikamente nur noch sehr gezielt und bei tatsächlichem Bedarf verschrieben. Je geringer die benötigte Dosis ist und je kürzer die Behandlung dauert, desto geringer ist das Risiko für unerwünschte Folgen. Klimakterische Beschwerden können durch eine individuell angepasste Substitution mit Östrogenen und Gestagenen erfolgreich behandelt werden. Eine entsprechende Therapie mit Hormonen reduziert darüber hinaus das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Knochenbrüche im Alter und für Gebärmutterkörperkrebs deutlich. Heute weiß man, dass es entscheidend ist, die Hormonbehandlung zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr zu starten, damit der Nutzen die Risiken überwiegt.
DA Wann kommt eine Hormonersatztherapie nicht infrage?
Tiringer Vor Beginn einer Hormonbehandlung muss eine Abwägung der Vor- und Nachteile durchgeführt werden. Individuelle Faktoren und Risikofaktoren spielen hierbei eine bedeutende Rolle. Es gibt Erkrankungen, bei denen eine Hormonersatztherapie nicht durchgeführt werden darf. Dazu zählen eine tiefe Beinvenenthrombose oder der Zustand nach einer Lungenembolie in der Vorgeschichte, bekannte Störungen der Blutgerinnung, schwere Lebererkrankungen, eine Brustkrebserkrankung, höhergradige, schlecht behandelbare Herzinsuffizienz, therapieresistenter Bluthochdruck, spezielle Autoimmunerkrankungen oder Gebärmutterkörperkrebs. Diesen Frauen kann mit den zuvor erwähnten pflanzlichen bzw. alternativen Therapiemöglichkeiten geholfen werden.
DA Vielen Dank für das Gespräch!
Haarpracht im Wechsel
So wie die Haut kann sich durch die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren auch die Haarpracht verändern. Haarwurzeln reagieren empfindlich auf das Wechselspiel der Hormone: Die Wachstumsphase verkürzt sich und die Ruhephase geht in Verlängerung. Während die Haare in jungen Jahren also meist kräftig und dicht wachsen, kann es im Wechsel durch ein Abfallen des Östrogenspiegels zu einem Ausdünnen der Haare und lichten Stellen kommen. Gleichzeitig können Haare in Bereichen, in denen sie so gar nicht erwünscht sind, plötzlich sprießen, Stichwort „Damenbart“. Über Therapiemöglichkeiten bei dünner werdendem Haar bzw. übermäßigem Haarwachstum im Gesicht informieren Hautarzt/Hautärztin oder Gynäkologe/Gynäkologin.