Wenn die Hormone aus der Reihe tanzen …

von
Camilla Burstein, MA
Credit: Shutterstock
Aktualisiert am 26.03.2025

Das Polyzystische Ovarsyndrom, kurz PCOS genannt, ist mit rund 10 % die häufigste Hormonstörung bei Frauen im gebärfähigen Alter. Obwohl Millionen von Frauen weltweit betroffen sind, passiert es aber auch heute noch zu häufig, dass die Diagnose entweder gar nicht oder erst sehr spät gestellt wird.
 

Das Polyzystische Ovarsyndrom zeichnet sich durch unregelmäßige und zu seltene Blutungen in Kombination mit vermehrten männlichen Hormonen und gegebenenfalls Übergewicht aus. Oft macht sich PCOS durch Zyklusstörungen bemerkbar. Am ehesten kann man sich das PCOS als hormonelle Fehlregulation vorstellen. Bis heute wissen wir leider nicht genau, wie ein PCOS eigentlich entsteht. Es dürfte aber immer ein Zusammenspiel zwischen Genen und Umwelt verantwortlich sein.

  1. … die Hormone, die Eizellwachstum und Zyklus steuern, nicht einer geordneten Choreografie folgen, sondern „durcheinandertanzen“. Dadurch kommt es nicht zu einer (gleichmäßigen) Eizellreifung, der Eisprung kann nicht stattfinden, die Gebärmutterschleimhaut wird in der zweiten Zyklushälfte nicht umgebaut und schlussendlich bleibt die Periode aus oder kommt nur ganz selten.
  2. … mehr männliche Hormone im Blut sind. Das kann zu unreiner Haut und vermehrten/dunklen Haaren führen – oftmals auch an Stellen, die eher typisch für Männer sind, wie die Bartregion, die Brust etc. Auch ein typisch männlicher Haarausfall am Kopf kann sich zeigen.
  3. … am Ultraschall polyzystische Eierstöcke zu sehen sind. Durch die nicht richtig koordinierte Hormonwirkung wachsen zu viele Eibläschen, nur um dann in ihrem Wachstum innezuhalten und nicht auszureifen. 

 

Haupt- und Nebenkriterien

Sind zwei der drei zuvor genannten Kriterien erfüllt, wird die Diagnose PCOS gestellt. Neben diesen Hauptkriterien gibt es noch etliche Nebenbefunde, die für ein PCOS sprechen oder sich aus der Erkrankung erklären:

Insulinresistenz

Das bedeutet, dass das körpereigene Insulin, das die Bauchspeicheldrüse herstellt und das den Blutzucker konstant halten soll, nicht so gut wirken kann. Dadurch nehmen Zielgewebe wie Muskeln oder Leber zu wenig Zucker aus dem Blut auf, der Blutzucker bleibt zu hoch und gleichzeitig werden vermehrt (Bauch-)Fettreserven angelegt. Der Körper versucht gegenzusteuern und schüttet noch mehr Insulin aus, was parallel zu einer weiteren Erhöhung der männlichen Hormone im Blut führt. Eine Insulinresistenz ist dabei die Vorstufe, aus der sich später ein Diabetes Typ II entwickeln kann. Daher ist es wichtig, dass der Zuckerstoffwechsel bei Frauen mit PCOS regelmäßig kontrolliert wird – unabhängig vom Gewicht. 

Übergewicht

Leider macht es das PCOS einfach(er), Übergewicht zu bekommen. Umgekehrt kann wiederum Übergewicht die Insulinresistenz verschlechtern. Durch eine verschärfte Insulinresistenz verschlimmern sich wiederum die PCOS-Beschwerden und ein sehr ungünstiger Teufelskreis entsteht. Daher empfiehlt es sich unbedingt, mit einer Veränderung des Lebensstils und mit medizinischer Hilfe das Gewicht zumindest zu halten, wenn nicht sogar zu reduzieren. Schon eine kleine Gewichtsreduktion kann viel bewirken.

Unerfüllter Kinderwunsch

Viele Frauen mit PCOS stellen sich bei ihrem Frauenarzt/ihrer Frauenärztin vor, weil sie nicht schwanger werden. Aufgrund der nur seltenen oder sogar ganz ausbleibenden Eisprünge beim PCOS ist es oftmals praktisch unmöglich, den richtigen Zeitpunkt zum Schwangerwerden zu erwischen und ohne medizinische Hilfe schwanger zu werden. Die gute Nachricht: Zwar dauert es länger, mit einem PCOS schwanger zu werden, und es ist häufiger eine medizinische Unterstützung nötig, aber die Chance, ein Kind auf die Welt zu bringen, ist genauso groß wie bei Frauen ohne PCOS.

Weitere Kriterien sind etwa der Aufbau einer hohen Gebärmutterschleimhaut. Das kann dazu führen, dass die Blutung, wenn sie mal kommt, sehr stark ist. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schlechter Schlaf bzw. Schlafapnoe-Syndrom und Sorgen/Stress können eine Folge der Erkrankung sein. Symptome wie keine Blutungen oder viel zu heftige Blutungen nach einer längeren Pause zu haben, eine vermehrte Behaarung, ein unerfüllter Kinderwunsch oder überflüssige Kilos können sehr belastend sein. Insofern ist es wichtig, sich als PCOS-Patientin gegebenenfalls mentale Unterstützung zu suchen. 

Vielfältige Therapieoptionen

PCOS ist kein Schicksal, dem man sich machtlos fügen muss. Glücklicherweise gibt es vielfältige Therapieoptionen, die beim PCOS zur Verfügung stehen. Gegen die „männliche“ Behaarung kann z. B. eine Enthaarung mittels Laser/Elektroepilation oder die Behandlung mit (verschreibungspflichtigen) Cremes erfolgen.

Ein gesunder Lebensstil

Der wichtigste Punkt für Frauen mit PCOS: Sie haben einiges selbst in der Hand! Bewegung ist der Schlüssel zu mehr Glück, weil sie die Ausschüttung von Glückshormonen in unserem Gehirn bewirken kann. Gute, gesunde Ernährung ist ebenso wichtig – die Ernährungsumstellung und Kalorienreduktion sollte Ihren Wünschen und Erfahrungen folgen. Setzen Sie sich klare, machbare Ziele. Wie bereits erwähnt kann selbst eine kleine Gewichtsreduktion große Auswirkungen haben: Schon 5 Prozent weniger Körpergewicht (z. B. - 4,5 kg bei 90 kg) können teilweise den Zyklus rhythmisieren und Eisprünge auslösen. 

Hormonelle Medikamente

Die Pille hilft, den Zyklus zu regulieren, das hormonelle Ungleichgewicht auszugleichen und den erhöhten Pegel der männlichen Hormone zu senken. Sie schützt das Endometrium und verhindert übermäßige Periodenblutungen, da unter ihr die Gebärmutterschleimhaut nicht so hoch aufgebaut wird. 

Insulin-Sensitizer

Zur Behandlung des Übergewichts gibt es neben Lebensstilmaßnahmen auch zahlreiche (medikamentöse) Therapien. Der Wirkstoff Metformin beispielsweise verbessert die Insulinwirkung, wodurch die Bauchspeicheldrüse nicht mehr so viel Insulin auszuschütten braucht. Abnehmen fällt so meist leichter. Metformin wird aufgrund seines zyklusrhythmisierenden Potenzials auch für Kinderwunschbehandlung von PCOS-Patientinnen eingesetzt (siehe unten).

Kinderwunschbehandlung

Wenn es aufgrund der Zyklusunregelmäßigkeiten und seltenen Eisprünge nicht mit einer Schwangerschaft klappt, gibt es mehrere sehr erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeiten bei dem/der Frauenarzt/-ärztin oder in spezialisierten Kinderwunschzentren. Man kann Medikamente wie Metformin oder Letrozol einsetzen, um die Reifung eines Leitfollikels und den Eisprung zu begünstigen. Durch begleitende Ultraschall- und Blutwertkontrollen kann man feststellen, wann der Eisprung genau sein wird, und durch Sex zum richtigen Zeitpunkt die Chance auf eine Schwangerschaft erhöhen. Natürlich besteht neben diesen leichten Stimulationen auch die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung, die besonders dann an Bedeutung gewinnt, wenn es neben der Zyklusstörung durch PCOS noch zusätzliche Probleme gibt – z. B. bei Einschränkungen im Spermiogramm. PCOS reduziert per se nicht die Möglichkeit, (viele) Kinder zu bekommen – es braucht aber oft etwas Nachhilfe.

Fazit

Die Therapie des PCOS sollte stets individuell zugeschnitten sein. Häufig ist eine Kombination aus selbst gesteuerten Veränderungen und Medikamenten die beste Option. Allerdings bedarf es der Geduld, denn die Verbesserungen werden manchmal erst nach einer Weile spürbar.

Eine klare Diagnosestellung ist enorm wichtig, nicht nur, um einen Namen für das zu haben, was einem zu schaffen macht, sondern auch, weil PCOS eine Diagnose ist, die ein Leben lang bestehen bleibt. Je besser Betroffene über ihr PCOS und die Therapiemöglichkeiten Bescheid wissen, desto eher können sie die richtigen Entscheidungen für sich treffen. 

Wunderwerk weiblicher Körper

Credit: Penguin

Frauenärztin Dr. Dorothee Biener verrät, was Frauen schon immer wissen wollten. Es geht um: die Wahrheit hinter den hartnäckigsten Mythen über den weiblichen Körper, alles, was Sie über Brust, Vulva, Klitoris, Vagina, Gebärmutter, Eierstöcke, Eizellen, Hormone und Zyklus wirklich wissen müssen, Spannendes über die weibliche Sexualität, das Wichtigste über Endometriose, PCOS und andere weibliche Erkrankungen und die Tatsache, dass jede Frau einzigartig und wunderschön ist!

Wir Superheldinnen
2025, Penguin, € 18,50
ISBN: 978-3-328-11234-1
Erhältlich bei Buchaktuell in 1090 Wien
oder unter www.buchaktuell.at

Camilla Burstein, MA

Relevante Gutscheine zum Thema

Weitere Deine Apotheke-Artikel zum Thema

Merkliste
Loading...