Damit die Angst nicht überhandnimmt, müssen Betroffene aktiv gegen sie vorgehen. Das geht zum Beispiel mit pflanzlichen Arzneien oder Entspannungstechniken.
Wer kennt sie nicht, die nervöse Unruhe vor einer Prüfung, einem Vorstellungsgespräch oder einem Vortrag? Selbst Profis mit jahrzehntelanger Bühnenerfahrung leiden vor einem Auftritt unter einem gewissen Maß an Lampenfieber – und das ist auch gut so. Auch wenn die meisten Menschen Aufregung und Stress vor einer Prüfungssituation als unangenehm empfinden, handelt es sich um sinnvolle Reaktionen unseres Körpers. Sie bewirken, dass die Nebennierenrinde vermehrt Adrenalin und Noradrenalin ausschüttet. Beide Hormone helfen dabei, schnell und konzentriert zu reagieren.
Ein gewisses Maß an Aufregung ist also normal, doch manchmal ist die Angst wesentlich größer. Mediziner sprechen von Prüfungsangst, wenn die Hormonkonzentration so stark steigt, dass Synapsen im Gehirn blockiert werden und eine Leistungsminderung eintritt. Diese kann sich bis zum völligen Blackout steigern.
Prüfungsängste sind weit verbreitet. Sie können quer durch die Bank bei jedem auftreten – das Alter spielt keine Rolle. Man zählt sie zu den Phobien.
Belastende Vorbereitungszeit
Betroffene leiden nicht nur während der Prüfung, sondern bereits in der Vorbereitungszeit. Allein die Vorstellung der Prüfungssituation kann ausreichen, um Ängste zu wecken, die von körperlichen Symptomen begleitet werden. Dazu zählen zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden, Erbrechen, Heißhungerattacken, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Appetitlosigkeit. Starke Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Unsicherheit und Unlust, die sich bis zu einer Depression steigern können, wirken sich auf den Alltag der Betroffenen aus.
Konzentrationsstörungen verhindern effektives Vorbereiten und münden oft in Vermeidungsverhalten. Alles andere scheint plötzlich wichtiger. Gleichzeitig wissen die Betroffenen um ihre Versäumnisse, was wiederum die Angst stärkt. So kann ein Teufelskreis aus Vermeidungsverhalten und Angstverfestigung entstehen. Im Extremfall kann eine Prüfungsangst in eine Arbeitsstörung münden, sodass Betroffene ihre Tätigkeit aufgeben müssen.
Erste Hilfe bei Prüfungsangst
Bei Prüfungsängsten kann eine kurzfristige Selbstmedikation helfen. Dadurch erhalten Betroffene die Möglichkeit, sich ohne Angst auf die Prüfung vorzubereiten und erleben die Prüfungssituation weniger bedrohlich.
Gut bewährt haben sich Kombinationspräparate aus der Apotheke mit Trockenextrakten aus Baldrianwurzel, Hopfenzapfen, Melissenblättern und Passionsblumenkraut. Sie vermindern die Anspannung, schränken aber nicht die Leistungsfähigkeit ein. In der Regel sind sie ohne Nebenwirkungen und verbessern auch Begleiterscheinungen wie Reizbarkeit, Durchfall oder Erbrechen. Eine Gewöhnung ist nicht zu befürchten. Viele Präparate entfalten ihre volle Wirkung aber erst nach zwei bis vier Wochen.
Entspannungstechniken
Um Prüfungsängste dauerhaft zu überwinden, ist die alleinige Einnahme pflanzlicher Beruhigungsmittel aber meist nicht ausreichend. Experten empfehlen das Erlernen einer Entspannungstechnik wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen.
Während bei der Progressiven Muskelentspannung das bewusste An- und Entspannen einzelner Muskelpartien zu einer Gesamtentspannung des Körpers führt, erreicht das Autogene Training seine Wirkung durch gezielte Gedanken.
Beide Techniken können in Kursen, aber auch zuhause mit einer anleitenden CD erlernt werden. In Zeiten des digitalen Zeitalters kann sich auch ein Blick auf YouTube & Co. lohnen. Es dauert jedoch einige Zeit, bis sich die Methoden soweit verfestigt haben, dass sie auch in einer Stresssituation erfolgreich eingesetzt werden können. Empfehlenswert ist deshalb, bereits in einer prüfungsfreien Zeit mit dem Erlernen zu beginnen.
Systematische Desensibilisierung
Manche Betroffene profitieren auch von der so genannten systematischen Desensibilisierung. Diese Methode stammt ursprünglich aus der Verhaltenstherapie und verfolgt den Ansatz, dass Angst und körperliche Entspannung nicht gleichzeitig bestehen können.
Während einer Entspannung stellt sich der Betroffene in Schritten die angstauslösende Situation vor. Dabei beginnt man bei der am wenigsten furchtauslösenden und steigert sich bis zur schlimmsten Situation. Sobald Angstgefühle auftreten, wird die Vorstellung abgebrochen und zu einem anderen Zeitpunkt weitergeübt.
Dieses Vorgehen wird solange durchgeführt, bis die Prüfungssituation in der Vorstellung keine Angst mehr auslöst. Im letzten Schritt erfolgt dann die Konfrontation in der Realität – also die Bewältigung der Prüfung.
Strukturiertes Lernen
Gut strukturierte Lernpläne helfen, den notwendigen Lernstoff in leicht zu bewältigende Tagespensa einzuteilen. Jede bewältigte Etappe sollte belohnt werden. Dieses Vorgehen vermeidet nicht nur Hektik und Überforderung in der Vorbereitungsphase, sondern stärkt auch das Selbstbewusstsein, die Motivation und die Zuversicht.
Viele Volkshochschulen bieten inzwischen Kurse zum Thema Prüfungsvorbereitung und Lernmanagement an. Dabei steht oftmals auch das Trainieren von Prüfungssituationen auf dem Programm. Universitäten bieten Workshops für Studenten an, in denen es explizit um wissenschaftliches Arbeiten und Lernen geht. Und auch Psychologen sind gute Ansprechpartner, um sich mit den eigenen Ängsten auseinanderzusetzen.
Expertenhilfe notwendig?
In vielen Fällen lassen sich Prüfungsängste mit einer guten Vorbereitung, Entspannungstechniken, und einer eventuellen Selbstmedikation gut in den Griff bekommen. Solange der Betroffene die Prüfung zwar als unangenehm, aber dennoch notwendig ansieht, befindet sich die Angst auf einem tolerierbaren Level. Bei regelmäßigen und starken Schlafstörungen oder massiver Panik ist es aber sinnvoll, sich ärztliche Hilfe zu holen.