Der Juni steht im Zeichen des Regenbogens. In diesem Monat wird die Diversität gefeiert und Bewusstsein für die Themen der LGBTIQ*-Community geschaffen. Schätzungen zufolge gibt es weltweit etwa 25 Millionen Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das in ihrer Geburtsurkunde eingetragen wurde.

Artikel drucken

Das Geschlechtsidentitätsempfinden ist ein fundamentaler Aspekt unseres Lebens. Die eindeutige Ausrichtung als Mann oder Frau ist zwar die mit Abstand häufigste, aber nicht für alle Menschen zutreffende Variante. Transsexualität wurde viele Jahrzehnte lang als krankhafte Störung eingeordnet. Diese „Einschätzung“ wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend hinterfragt. Wenn das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht mit dem individuellen Erleben der eigenen Geschlechtsidentität übereinstimmt, spricht man heute von Geschlechtsinkongruenz bzw. Geschlechtsdysphorie.

Der diagnostische Prozess

Die Wichtigkeit einer breit angelegten und fundierten Diagnostik im Vorfeld jeglicher Therapieentscheidung wird übereinstimmend in allen Leitlinien betont. Hormonbehandlungen und geschlechtsangleichende Operationen bedeuten immer einen schwerwiegenden, irreversiblen Eingriff in einen meist gesunden, jungen Körper. Die österreichischen Behandlungsempfehlungen fordern vor Beginn jeglicher Therapie eine klinisch-psychologische bzw. psychotherapeutische sowie eine psychiatrische Stellungnahme.

Geschlechtsangleichende Therapie

Die medizinische Behandlung ist für viele Trans-Personen identitätsstiftend und wichtig, um vollständig im eigenen Geschlecht anzukommen. Im Prinzip verläuft der Prozess in drei Schritten:

  1. Psychotherapie und Diagnose
  2. Geschlechtsangleichende Hormontherapie
  3. Geschlechtsangleichende Operation

Mehrere Studien belegen eindeutig die positive Auswirkung einer medizinischen Transition auf die Lebensqualität und mentale Gesundheit der Betroffenen. Die Zahl jener, die ihre Entscheidung zur Geschlechtsangleichung später bereuen, ist in Europa mit 0,3–0,6 % sehr gering.

Wichtige Begriffe

  • LGBTIQ* steht für Lesbians, Gays, Bisexuell, Transgender, Intersexuell und Queers. Manchmal steht am Ende der Abkürzungen ein Sternchen, um weitere, nicht genannte Identitäten einzubeziehen.
  • Transsexuell/Transgender/Transident Die drei Begriffe beschreiben Personen, die sich nicht mit dem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Diese Menschen können genetisch, anatomisch bzw. hormonell eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden, empfinden sich selbst aber in ihrem Zuweisergeschlecht als „nicht richtig“. Transsexualität bezieht sich ausschließlich auf die Geschlechtsidentität und ist vollkommen unabhängig von der sexuellen Orientierung.
  • Transfrau Biologisch männliche Menschen mit weiblicher Geschlechtsidentität
  • Transmann Biologisch weibliche Menschen mit männlicher Geschlechtsidentität
  • Intersexuell Intersexuelle Menschen können genetisch, anatomisch bzw. hormonell nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden, z. B. weil die äußeren Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig sind.
  • Non-binär Für non-binäre Personen passt die Zuordnung der eigenen Geschlechtsidentität nicht in das binäre Schema Frau/Mann. Sie lehnen häufig jegliche Form der Geschlechtszuordnung und Kategorisierung ab.

Hormontherapie

Der medikamentöse Ansatz bei Transmännern besteht im Wesentlichen in der Gabe von Testosteron in der passenden Dosierung. Die Therapie erfolgt entweder mit einem Gel, das auf die Haut aufgetragen wird, oder einer Depot-Spritze. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Akne und Hautunreinheiten sowie eine überschießende Blutbildung.

Die medikamentöse Therapie bei Transfrauen besteht meist aus einem Estrogen und einem antiandrogenen Mittel („Testosteronblocker“). Beide Therapien werden zeitgleich begonnen. Das Estrogen kann auf verschiedene Arten angewendet werden, wobei äußerlich angewendete Präparate aufgrund des günstigeren Risikoprofils bevorzugt werden. Der zweite wichtige Teil der Therapie ist die Absenkung der Androgene. Nur so kann die erwünschte Feminisierung des Körpers erreicht werden. Insgesamt geht eine feminisierende Hormontherapie mit deutlich mehr Risiken (u. a. für Thrombosen) einher als eine vermännlichende Therapie. Dennoch gilt sie bei engmaschiger Betreuung als relativ sicher.

Ergebnisoffene Begleitung

Das Zugehörigkeitsgefühl zum anderen Geschlecht ist meist schon in der Kindheit erkennbar. Allerdings bleibt eine Transidentität nur bei einem kleinen Anteil bis ins Erwachsenenalter bestehen. Dementsprechend liegt bei Kindern und Jugendlichen vor der Pubertät das Hauptaugenmerk auf der ergebnisoffenen klinisch-psychologischen Begleitung. Von hormonellen bzw. nicht umkehrbaren operativen Eingriff wird Abstand genommen. Ist der Leidensdruck sehr hoch, kann ab etwa 12 Jahren eine Pubertätsunterdrückung mit Hormon-Gegenspielern erfolgen, um den Kindern die Pubertät im „falschen“ Geschlecht zu ersparen. Solange nur diese Blocker und keine gegengeschlechtliche Hormontherapie gegeben werden, ist der Therapieeffekt umkehrbar. Eine Hormontherapie kann mit Zustimmung der Eltern ab dem 16. Lebensjahr begonnen werden; Operationen bleiben Volljährigen vorbehalten.