Eisenmangel gehört zu den häufigsten Mangelerscheinungen weltweit. Warum das Spurenelement Eisen im Körper von zentraler Bedeutung ist, wodurch sich ein Mangel bemerkbar macht und wie die Eisenspeicher wieder gefüllt werden können.
Seit Wochen fühlt sich Amélie (38), als hätte ihr jemand die Energie ausgesaugt. Sie leidet unter ständiger Müdigkeit, fühlt sich antriebslos, schläft schlecht und kann sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren. In den Mundwinkeln zeigen sich schmerzhafte Risse, ihre sonst so schönen Nägel sind brüchig, das Haar dünn und spröde. Völlig erschöpft wendet sich die zweifache Mutter an ihre Hausärztin. Nach einer Blutuntersuchung steht schnell fest: Amélies Körper hat zu wenig Eisen.
Eisenmangel gehört zu den häufigsten Mangelerscheinungen weltweit. Besonders häufig betroffen sind erwachsene Frauen wie Amélie. Laut österreichischem Ernährungsbericht nehmen rund 85 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter täglich zu wenig Eisen zu sich, um ausreichend versorgt zu sein. Durch die Monatsblutung brauchen Frauen deutlich mehr Eisen als Männer. Auch in der Schwangerschaft ist der Bedarf stark erhöht. Gerät das Verhältnis zwischen Aufnahme, Speicherung, Verwendung, Wiederverwertung und Verlust aus der Balance, kann es zu den typischen Eisenmangel-Symptomen kommen.
Lebensnotwendig für jede Zelle
„Eisen ist an vielen Körperfunktionen beteiligt und spielt eine zentrale Rolle im Energiehaushalt“, erklärt die Welser Allgemeinmedizinerin und Eisenmangel-Expertin Dr.in Andrea Frühwirth. Die wichtigste Aufgabe des Spurenelements, das dem Körper über die Nahrung zugeführt werden muss, ist der lebensnotwendige Sauerstofftransport im Körper. Mithilfe von Eisen wird der rote Blutfarbstoff Hämoglobin gebildet. Im Hämoglobin wird der Sauerstoff gebunden, der beim Atmen aufgenommen und dann über die Blutbahnen im ganzen Körper verteilt wird. Nur wenn genug Sauerstoff zu den Zellen kommt, können sie optimal funktionieren. Im Körper eines gesunden Mannes sind ca. vier Gramm Eisen gespeichert, bei einer gesunden Frau ca. zweieinhalb bis drei Gramm. Wie viel Eisen der Körper benötigt, hängt vom Alter, vom Geschlecht und der jeweiligen Lebensphase ab. Als Richtwert für die tägliche Eisenzufuhr gilt bei gesunden Erwachsenen bis 50 Jahre 10 mg für Männer bzw. 15 mg für Frauen.
Mangel erkennen
Die Symptome, mit denen Betroffene in die Praxis der Welser Allgemeinmedizinerin kommen, sind vielfältig und umfassen die unterschiedlichsten Bereiche des Körpers. Zu den typischen Eisenmangel-Symptomen zählen Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, eine gedrückte Stimmungslage und Kopfschmerzen. Auch Haut und Haare werden durch eine Unterversorgung in Mitleidenschaft gezogen: Brüchige Fingernägel, eingerissene Mundwinkel, Haarausfall und stumpfes Haar könnten auf Eisenmangel hinweisen. Eine höhere Infektanfälligkeit kann laut Frühwirth ebenfalls ein Warnzeichen des Körpers sein. Leistungssportler:innen, die zu wenig Eisen zu sich nehmen, berichten über eine reduzierte Ausdauerleistung, einen scheinbar unerklärlichen Leistungsknick oder Kurzatmigkeit bei Belastung. Ist der Mangel so stark ausgeprägt, dass er zu einer Blutarmut (Anämie) geführt hat, können Beschwerden wie Herzklopfen, Atemnot schon bei geringer Belastung sowie auffallend blasse Haut und blasse Schleimhäute hinzukommen. Weisen die Symptome auf einen möglichen Eisenmangel hin, kann eine einfache Blutuntersuchung Klarheit schaffen. „Aussagekräftig ist eine Kombination aus Hämoglobin-Wert, Serum-Ferritin, Transferrin-Sättigung und CRP“, erklärt Frühwirth. Sprechen die Laborwerte für das Vorliegen eines Eisenmangels, gilt es die passende Therapieform zu finden. Wichtig ist auch, mögliche Ursachen des Eisenmangels, wie etwa Zöliakie oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, im Rahmen der Diagnosestellung auszuschließen bzw. zu behandeln.
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Speicher auffüllen
„Eisenmangel kann sehr gut und einfach behandelt werden“, berichtet die Eisenmangel-Expertin. Wurde ein Mangel diagnostiziert, ist eine orale Therapie mittels Eisentabletten, -kapseln oder -säften meist das Mittel der Wahl. Das in den Präparaten verpackte Eisen wird über die Darmschleimhaut aufgenommen und in die Blutbahn transportiert. Da nur ein geringer Teil der enthaltenen Eisenmenge im Darm aufgenommen werden kann, müssen Eisenmedikamente täglich über mehrere Wochen bis Monate eingenommen werden. Idealerweise werden die Tabletten auf nüchternen Magen, ca. eine Stunde vor einer Mahlzeit, geschluckt. Verbessern lässt sich die Aufnahme im Darm, wenn die Einnahme gleichzeitig mit Vitamin C, etwa in Form eines Glases Orangensaft, erfolgt. Zu häufigen Nebenwirkungen von Eisentabletten zählen Magen-Darm-Beschwerden und eine vorübergehende Schwarzfärbung des Stuhls. Da über die Darmschleimhaut täglich maximal 5 mg Eisen ins Blut aufgenommen werden können, ist bei einem ausgeprägten Eisenmangel Geduld gefragt. In solchen Fällen oder wenn die Eisentabletten schlecht vertragen werden, empfiehlt Dr.in Frühwirth die Verabreichung von Eiseninfusionen: „Wird das Eisen über die Vene verabreicht, steht es dem Körper ohne Verluste sehr rasch zur Verfügung“, so die Ärztin. Wie viele Infusionen erforderlich sind, wird auf Basis der Laborwerte und des Körpergewichts individuell errechnet. Während normalerweise mehrere Infusionen notwendig sind, um die Speicher aufzufüllen, reichen bei Eiseninfusionen der letzten Generation meist ein bis zwei Behandlungen. Unabhängig von der gewählten Therapieform sollten Ferritin und Transferrin-Sättigung acht bis zwölf Wochen nach Behandlungsende erneut mittels Blutuntersuchung kontrolliert werden.
Ernährung anpassen, Mangel vorbeugen
Eine ausgewogene Mischkost kann dazu beitragen, dem Körper jene Mengen an Eisen zuzuführen, die er braucht. Kommen Risikofaktoren hinzu oder liegt bereits ein Eisenmangel vor, reicht eine Ernährungsumstellung allein meist nicht aus. Vorbeugend bzw. als begleitende Maßnahme zur medikamentösen Therapie ist eine angepasste Ernährung auf jeden Fall empfehlenswert. Eisen findet sich sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln. Sogenanntes „Häm-Eisen“ aus tierischen Nahrungsmitteln wie Fleisch, Innereien, Fisch, Meeresfrüchten oder Eigelb kann vom Körper besser aufgenommen werden als „Nicht-Häm-Eisen“ aus pflanzlichen Quellen. Zu den Top-Stars unter den tierischen Eisenlieferanten zählen Blutwurst, Schweineleber und Rinderschinken. Als Faustregel für den Eisengehalt von Fleisch gilt: Je dunkler (roter) das Fleisch, umso mehr Eisen ist enthalten. Bei den pflanzlichen Eiweißquellen haben Weizenkleie (Bild oben), Kürbiskerne, Sesamsamen und Sojabohnen die Nase vorne. Wer auf tierische Lebensmittel verzichtet, sollte verstärkt auf eisenreiche Gemüsesorten wie Brokkoli, Mangold, Kohl, Grünkohl, Rüben oder Spargel zurückgreifen. Auch Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, Kichererbsen und Sojabohnen sind eisenhaltig. Ungeschältes Getreide, Produkte aus Vollkornmehl sowie Pseudogetreide wie Quinoa oder Amaranth sollten ebenfalls regelmäßig verzehrt werden. Als eisenhaltige Snacks eignen sich Rosinen, Datteln, Dörrpflaumen, Feigen, Marillen, Äpfel, Kürbiskerne, Pinienkerne, Haselnüsse, Erdnüsse und Mandeln. Durch geschicktes Kombinieren bei der Speisenzusammensetzung lässt sich die Eisenaufnahme steigern. So kann Vitamin C-reiches Obst und Gemüse dabei helfen, dass das Eisen besser resorbiert wird und im Körper seine Aufgaben optimal erfüllen kann. Vorsicht heißt es hingegen bei Kaffee, Tee & Co. „Kaffee, Tee, Rotwein, Milchprodukte und Weißmehlprodukte können die Eisenaufnahme im Verdauungstrakt stören und sollten daher nicht gleichzeitig mit Eisenpräparaten oder eisenreichen Nahrungsmitteln genossen werden“, so der Rat der Eisenmangel-Expertin. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte 30–60 Minuten vor sowie bis eine Stunde nach einer eisenreichen Mahlzeit auf die erwähnten Nahrungs- und Genussmittel verzichten.
Zusätzliche Tipps: Wer ist besonders gefährdet?
Bei jeder Monatsblutung gehen im weiblichen Körper rund 25 mg des wertvollen Spurenelements verloren. Während der Schwangerschaft steigt der Bedarf auf beachtliche 30 mg pro Tag. Da Eisen neben dem Sauerstofftransport auch für die Neubildung der Zellen und speziell der Nervenzellen eine wichtige Rolle spielt, ist gerade in der Schwangerschaft eine ausreichende Zufuhr wichtig, um eine gesunde Entwicklung des Embryos zu gewährleisten. Neben Frauen im gebärfähigen Alter und Schwangeren gibt es noch weitere Gruppen, die überdurchschnittlich häufig von einem Eisenmangel betroffen sind. Dazu zählen Kinder und Jugendliche im Wachstum, Sportler:innen, Vegetarier:innen und Veganer:innen sowie Menschen, die regelmäßig Blut spenden. Auch chronische Erkrankungen wie Gastritis, Zöliakie, Herzschwäche, Nierenerkrankungen oder Tumorerkrankungen können die Eisenaufnahme aus der Nahrung beeinträchtigen und so das Entstehen eines Mangels begünstigen. Sogenannte „Magenschutz-Medikamente“, die häufig im Zuge einer Therapie mit Schmerzmitteln verordnet werden, um die Magensäure zu neutralisieren, können sich ebenfalls negativ auf die Eisenaufnahme auswirken.