Nur wenn der Körper ausreichend mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt wird, läuft er rund. Wie sich der persönliche Bedarf über die Ernährung abdecken lässt und wann Nahrungsergänzungsmittel Sinn machen.

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Sicher kennen Sie den Spruch „Wer sich ausgewogen ernährt, braucht keine Vitaminpillen“. Doch was heißt „ausgewogen“ überhaupt und wie lässt sich das im teils hektischen Alltag umsetzen? Wer es schafft, in seinen täglichen Speiseplan die berühmten „5 am Tag“, sprich drei faustgroße Portionen Gemüse und zwei faustgroße Portionen Obst einzubauen, ist schon gut dabei.

Obst und Gemüse, am besten aus der Region und aus biologischem Anbau, liefern dem Körper ein buntes Potpourri an den lebenswichtigen Powerstoffen und sind außerdem reich an Ballaststoffen. Besonders viele Vitamine und Mineralstoffe bekommt man ab, wenn man die Ernährung an die jeweilige Jahreszeit bzw. das saisonale Angebot anpasst. Lange Transportwege um den halben Globus schaden nicht nur der Umwelt, sondern auch den wertvollen Inhaltsstoffen.

Dass Fast Food und Süßigkeiten als Vitaminlieferanten nicht top sind, liegt auf der Hand, auch wenn sogar hier teilweise mit zugesetzten Vitaminen geworben wird. Die Frage, wie man sich ernähren müsste, um mit allen wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen ausreichend versorgt zu werden, lässt sich nicht pauschal beantworten.

Was (besonders) Frauen brauchen

Ein Thema, das vorwiegend Frauen betrifft, ist Eisenmangel. Eisen ist an vielen Körperfunktionen beteiligt und spielt eine zentrale Rolle im Energiehaushalt. Etwa 85 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter nehmen nicht genügend Eisen auf, um ihren Bedarf zu decken. „Aufgrund der Menstruation haben Frauen einen deutlich höheren Eisenbedarf als Männer, und während der Schwangerschaft steigt dieser Bedarf nochmals erheblich“, so die Medizinerin Dr.in Dagmar Prinz.

Ein weiterer Mikronährstoff, der besonders für Frauen von enormer Bedeutung ist, ist Vitamin B9, besser bekannt als Folsäure.
Speziell in der Schwangerschaft und Stillzeit sollte der Folsäure-Spiegel passen, da Folsäure die kindliche Entwicklung unterstützt. Eine Substitution mit Nahrungsergänzungsmitteln wird daher meist bereits bei Kinderwunsch empfohlen.

Störfaktoren erkennen

Mikronährstoffe sind für den Körper unverzichtbar und erfüllen zahlreiche Aufgaben wie die Produktion von Hormonen, die Impulsübertragung in Nervenzellen, die Kontraktion von Muskelfasern, die Bildung neuer Zellen sowie die Regulation des Immunsystems. Die Menge an Mikronährstoffen, die der Körper benötigt, um gesund zu bleiben, ist sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab.

Nicht nur besondere Lebensphasen wie das Wachstum, eine Schwangerschaft oder das Alter verändern den Bedarf an Nährstoffen, auch gewisse Krankheiten und Medikamente haben einen Einfluss darauf, wie viele Vitamine und Mineralstoffe aufgenommen und verbraucht werden. So führen etwa entzündliche Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes dazu, dass die wichtigen Bausteine schlechter aufgenommen werden können. Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Leber- und Nierenfunktionsstörungen sowie Krebs können ebenfalls zu einem Defizit führen.

Protonenpumpenhemmer (PPI), die zu den am häufigsten verordneten Medikamenten überhaupt zählen und etwa bei Sodbrennen und Gastritis eingenommen werden, lindern zwar die Beschwerden, vermindern jedoch die Resorption von Calcium, Vitamin D3, Vitamin C, Folsäure und Vitamin B12.

Woran mangelt es?

Wie es um die Vitamin-Versorgung der Österreicher:innen steht, dokumentiert der Österreichische Ernährungsbericht, der alle paar Jahre vom Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien erstellt wird. Die Ergebnisse sind teils überraschend und decken sich mit den Erfahrungen von Dr.in Dagmar Prinz, Ärztin für Allgemeinmedizin in Maria Enzersdorf, die sich in ihrer Praxis auf die Bereiche Darmgesundheit, Vorsorge und orthomolekulare Medizin spezialisiert hat.

So zeigt der Ernährungsbericht etwa, dass bei Kalzium, das u. a. für die Erhaltung der Muskelmasse und der Knochenmasse von großer Bedeutung ist, 75 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer die täglich empfohlene Zufuhr nicht erreichen. Oft tritt die Unterversorgung mit Kalzium zusammen mit einem Vitamin-D-Mangel auf. Beide Mikronährstoffe sind wichtig für die Knochengesundheit, fehlen sie, steigt das Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche. Gerade beim Sonnenvitamin D beobachtet die Ärztin sogar während der Sommermonate zu niedrige Werte.

„Im Gegensatz zu anderen Vitaminen kann der Körper Vitamin D zwar größtenteils selbst produzieren, jedoch nur, wenn wir Gesicht, Hände und Arme ohne Sonnencreme rund 20 Minuten täglich der Sonne aussetzen.“ Besonders in den Herbst- und Wintermonaten ist das eine Herausforderung. Ein Blick auf die Versorgungslage zeigt, dass rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung in Europa einen Vitamin-D-Mangel haben, bei Hochrisikogruppen wie Bewohner:innen von Alten- und Pflegeheimen oder Menschen mit chronischen Erkrankungen ist der Anteil sogar noch höher.

Aufholbedarf gibt es laut Prinz auch beim Mineralstoff Magnesium, der eine wichtige Rolle für die Energieversorgung des Körpers, die Funktion des Nervensystems, den Erhalt stabiler Knochen und Zähne sowie das reibungslose Arbeiten der Muskeln spielt. Laut Ernährungsbericht erreicht rund die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher die empfohlene Zufuhr nicht.

Seit den 1960er-Jahren wird österreichisches Speisesalz vorsorglich mit Jod angereichert, dennoch liegen 87 Prozent der Menschen unter der empfohlenen Zufuhr und zwar über alle Altersgruppen hinweg. Weit verbreitet ist auch ein Vitamin-B12-Mangel. Das Vitamin kommt fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln wie Leber, Fleisch und Milchprodukten vor. „Gerade bei Personen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, sollte der B12-Spiegel regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf substituiert werden, um Mangelerscheinungen zu vermeiden.“

Wie merkt man, woran es fehlt?

Ob die Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen über die Ernährung ausreicht, um den persönlichen Bedarf zu decken, merkt man nicht unmittelbar. Der Körper ist in der Lage, Defizite über einen gewissen Zeitraum auszugleichen bzw. zu tolerieren. „Einen Vitamin-D-Mangel spüre ich nicht sofort, vergleichbar mit einem leicht erhöhten Blutdruck, der sich nicht unmittelbar bemerkbar macht“, so die Medizinerin.

Treten Beschwerden wie z. B. eine erhöhte Infektanfälligkeit auf, sollte die Nährstoffversorgung mittels Blutuntersuchung überprüft werden. Zeigen die Blutwerte, dass beispielsweise ein Mangel an immunrelevanten Nährstoffen wie Zink, Vitamin D oder Selen vorliegt, wird substituiert. „Da die fehlenden Stoffe meist hochdosiert ersetzt werden, sind Kontrollen im Abstand von drei bis sechs Monaten wichtig, um zu sehen, wo man steht und ob die Dosierung angepasst werden muss“, erklärt Prinz. Doch auch wer sich gesund fühlt, sollte einmal im Jahr im Rahmen einer erweiterten Vorsorgeuntersuchung die wichtigsten Blutwerte checken lassen.

Wer möglichen Mängeln frühzeitig auf die Spur kommt, kann sie gezielt ausgleichen. Von der Ergänzung mit hoch dosierten Nahrungsergänzungsmitteln auf eigene Faust rät die Expertin ab. Während eine Überdosierung bei der Aufnahme von Mikronährstoffen über die Nahrung quasi nicht möglich ist, kann eine Zufuhr nach dem Motto „viel hilft viel“ bei Vitaminen und Mineralstoffen aus der Dose im schlimmsten Fall zu gefährlichen Überdosierungen führen.

Essen wie am Mittelmeer

Auch wenn es kein Patentrezept für eine ausgewogene und gesunde Ernährung gibt, mit der alle – vom Kleinkind bis zum Senior – ideal versorgt werden, so gibt es doch ein paar Grundregeln, die man dem Körper zuliebe beachten sollte. Als Vorbild in Sachen gesunder Ernährung gilt die mediterrane Kost. Sie ist reich an frischem Gemüse, Obst, Kräutern, Hülsenfrüchten, wertvollen pflanzlichen Ölen wie Olivenöl, ungeschältem Getreide und Nüssen.

Fisch wird regelmäßig gegessen, Fleisch eher selten. Ergänzt wird die pflanzenbasierte Kost durch hochwertige Milchprodukte, etwa in Form von Schafkäse oder Naturjoghurt. Die Mittelmeerkost ist frisch, regional und saisonal und das macht sie so wertvoll für den Körper. Die Prinzipien der mediterranen Koste lassen sich auch mit heimischen Produkten umsetzen, die durch ihre regionale Verfügbarkeit eine Extraportion Mikronährstoffe enthalten.

Wer es schafft, möglichst oft frisch zu kochen und auf Fertigprodukte weitestgehend zu verzichten, ist auf dem besten Weg.