Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten und Hören – das sind die klassischen fünf Sinne des Menschen. Doch akustische Wahrnehmungen wie Meeresrauschen, Vogelzwitschern und Kinderlachen wären ohne unser sensibles Gehör nicht möglich.

Artikel drucken

Dieses filigrane System, das mitunter aus den kleinsten Knochen des menschlichen Körpers besteht – 3 mm misst der kleinste von ihnen, nämlich der Steigbügel – versorgt uns tagein, tagaus mit wichtigen Sinneseindrücken. Dabei kommt jedem einzelnen Bestandteil eine Aufgabe zu, die perfekt auf die anderen zugeschnitten ist und ohne die die Kaskade des Hörens zum Stillstand käme.

Schon gehört? Zahlen und Fakten

1,3 Milliarden
Menschen leiden weltweit nach Angaben der WHO an lärmbedingten Hörstörungen.

Rund
15.000 Haarzellen
in der Hörschnecke registrieren die Schallwellen, die uns über das äußere Ohr erreichen.

Das Trommelfell ist mit
0,1 Millimeter
hauchdünn und etwa so groß wie der Nagel eines kleinen Fingers.

Ab 55 dB(A)
empfindet man Lärm als störend, und Lernvorgänge werden erschwert.
Ab 65 dB(A)
lassen sich erste körperliche Stressfolgen wie Pulsbeschleunigung beobachten.

Ein Wunderwerk der Natur

Der sichtbare Teil des Gehörs, das Außenohr, besteht aus Ohrknorpel, Ohrmuschel und dem äußeren Gehörgang, der die Außenseite des Trommelfells umfasst.

Daran schließt das Mittelohr an – ein luftgefüllter Hohlraum, in dem die drei Gehörknöchelchen liegen: Der mit dem Trommelfell verwachsene Hammer gibt dessen Schwingungen an Amboss und Steigbügel weiter.

Die Eustachische Röhre („Ohrtrompete“) ist die Verbindung zum Nasen-Rachen-Raum und sorgt für die Belüftung des Mittelohres und für den Druckausgleich mit der Umgebung. Ein kleiner Exkurs in die Praxis: Diese Verbindung ist der Grund, warum Ihnen Ihr/e Apotheker:in bei erkältungsbedingten Ohrenschmerzen eventuell die Anwendung von abschwellenden Nasentropfen empfiehlt. Denn über die Eustachische Röhre können Erkältungsviren ins Mittelohr gelangen und zu einer Schwellung der Schleimhäute führen, weswegen Sekret nicht mehr abfließen kann und die Verbindung zum Rachen verstopft. Wenn das Ohr nicht mehr ausreichend belüftet werden kann, entsteht ein schmerzhafter Unterdruck.

Im Innenohr liegt ein weiteres Hohlraumsystem, in dem sich das eigentliche Hörorgan, die Hörschnecke sowie das Gleichgewichtsorgan befinden.

Der Weg des Schalls

Wenn nun Schallwellen über das Außenohr auf das Trommelfell treffen, versetzen sie es in Schwingungen, die durch die Gehörknöchelchen ins Innenohr übertragen und dadurch verstärkt werden. Die Gehörschnecke ist mit Flüssigkeit gefüllt und wird von Flimmerhärchen ausgekleidet. Bei Bewegung der Flüssigkeit verbiegen sich die Härchen, was Nervenimpulse auslöst, die über den Hörnerv gemeinsam mit Nervenbündeln des Gleichgewichtsorgans ins Gehirn geleitet werden. Dort werden diese Signale bewertet und mit anderen Informationen verknüpft, um sie richtig zu interpretieren. Erst an diesem Punkt können wir unterscheiden, ob es sich bei den Schallwellen um Sprache, Musik oder ein anderes Geräusch handelt.

Der Vorgang des Hörens dauert dabei gerade einmal eine Zehntelsekunde.

Tinnitus – ein chaotisches „Konzert“

Tinnitus ist der lateinische Begriff für „Klingeln“, die Beschweren können sich allerdings auch als Pfeifen, Summen, Brummen, Rauschen oder Klopfen in einem oder beiden Ohren äußern.

Ursache für einen Tinnitus ist oft Lärm, der die Flimmerhärchen beschädigt hat. So können bspw. eine Explosion oder ein Schuss zu einem Knalltrauma führen.

Warum nach einem solchen Schaden ein Tinnitus entsteht, ist noch nicht abschließend geklärt; jedoch wird vermutet, dass die Flimmerhärchen auf die Schädigung mit erhöhter Aktivität reagieren und daraufhin Phantomgeräusche melden. Andere Ursachen können eine Verstopfung des Gehörganges mit Ohrenschmalz, chronische Mittelohrentzündung oder ein geplatztes Trommelfell sein. Manchmal ist aber auch keine Ursache feststellbar; dann wird vom primären oder idiopathischen Tinnitus gesprochen.

Die Unklarheiten bezüglich der Entstehung eines Tinnitus erschweren dessen Therapie, besonders die der chronischen Form, die definitionsgemäß mindestens drei Monate andauert.

Der akut auftretende Tinnitus, der oft in Verbindung mit einem plötzlichen Hörverlust steht („Hörsturz“), wird – sofern er sich nicht von selbst zurückbildet – fachärztlich oft mit Kortison behandelt.

Therapie des chronischen Tinnitus

Sinnvoll ist eine Beratung durch den behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin, der/die aus der Aufklärung über eine vorangegangene Diagnostik besteht und darauf abzielt, mit dem Tinnitus eventuell einhergehende Beschwerden wie Schlafstörungen und Ängste zu lindern.

Ein etwaiger Hörverlust sollte durch das Tragen von Hörhilfen ausgeglichen werden.

Auch eine tinnitusspezifische Psychotherapie hat sich als wirksam erwiesen, die Geräusche im Lauf der Zeit im Alltag weniger wahrzunehmen. Mit der einsetzenden Gewöhnung wird die psychische Belastung verringert.

Die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde kommt zu dem Schluss, dass keine ausreichenden Daten für die Wirksamkeit von medikamentösen Behandlungen vorliegen, jedoch Belege für potenziell signifikante Nebenwirkungen.

Nicht empfohlen wird u.a. die Anwendung von Ginkgo, Zink und Melatonin. Ginkgo biloba ist das am häufigsten verwendete pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel bei Tinnitus. Es kann jedoch mit anderen Blutverdünnern interagieren und so eventuell schwere Blutungen verursachen.

Leider gibt es darüber hinaus keine Hinweise, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine und Mineralien oder pflanzliche Arzneimittel eine nachgewiesene Wirksamkeit auf den Tinnitus haben.

Die richtige Ohrenpflege

Da auch ein verstopftes Ohr zu Tinnitusbeschwerden führen kann, kommt der richtigen Pflege der äußeren Gehörgänge umso mehr Bedeutung zu.

Grundsätzlich verfügen die Ohren über eine Selbstreinigungsfunktion, da winzige Flimmerhärchen in den äußeren Gehörgängen alles abtransportieren, das nicht im Gehörgang verbleiben soll (Staub, überschüssiges Ohrenschmalz, abgestoßene Hautschuppen). Oft genügt es daher, das Ohrenschmalz mit einem angefeuchteten Tuch von der Ohrmuschel zu entfernen. Auf Wattestäbchen sollte verzichtet werden.

Personen, die zu Mittelohrentzündungen neigen, sollten beim Schwimmen Ohrstöpsel verwenden, um das Eindringen von Wasser zu verhindern. Bestimmte Ohrentropfen, die den pH-Wert des Ohres in einem sauren Bereich halten, können nach dem Baden angewendet werden und beschleunigen das Abtrocknen der Feuchtigkeit.